Medicus 02 - Der Schamane
ihn absetzen, er ist zu schwer«, beklagte sich Shaman schließlich und hob Alex auf den Sitz des Buckboard. Auch Alex hatte geweint. »Du siehst gut aus, Ma«, sagte er schließlich. Seine Mutter setzte sich neben ihn und hielt seine Hand. Shaman ergriff die Zügel, während Doug auf seinem Pferd ritt, das hinten am Wagen angebunden gewesen war. »Wo ist Alden?« fragte Shaman.
»Er hat sich ins Bett gelegt. Er wird immer schwächer, Shaman, die Anfälle werden immer schlimmer. Und als sie vor ein paar Wochen am Fluss Eis hackten, ist er ausgerutscht und schwer gestürzt«, sagte Sarah. Unterwegs verschlang Alex die Landschaft mit den Augen. Shaman ebenfalls, doch er hatte ein eigenartiges Gefühl dabei: So wie für Mrs. Clay ihr Haus nicht mehr dasselbe sein würde, so war auch sein Leben nicht mehr das alte. Seit seiner Abreise von hier hatte er einen Mann getötet. Die Welt war aus den Fugen. Es dämmerte bereits, als sie das Haus erreichten. Sie legten Alex in sein eigenes Bett, wo er mit geschlossenen Augen dalag, nichts als Freude in seinem Gesicht.
Sarah kochte zur Feier der Rückkehr ihres verlorenen Sohnes etwas Besonderes. Es gab Brathühnchen mit Kartoffel- und Karottenbrei. Sie hatten noch kaum zu Ende gegessen, als Lillian mit einer Terrine Eintopf über den Langen Weg dahergeeilt kam. »Deine Hungertage sind vorbei!« rief sie, nachdem sie Alex geküsst und ihn willkommen geheißen hatte. Rachel sagte sie, müsse bei ihren Kindern bleiben, werde ihn aber gleich am nächsten Morgen besuchen.
Die beiden Frauen saßen so nahe bei Alex, wie die Stühle es gestatteten, und Shaman ließ sie mit ihm alleine. Er ging zu Aldens Hütte. Der alte Knecht schlief, als er eintrat, und die Hütte stank nach Whiskey. Shaman schlich sich wieder hinaus und schlug den Langen Weg ein. Der Schnee war plattgetreten und überfroren, an einigen Stellen war es sehr glatt. Durch das Fenster des Geiger-Hauses sah er Rachel vor dem Kamin sitzen und lesen. Sie ließ das Buch sofort sinken, als er an die Scheibe klopfte.
Sie küssten sich, als läge einer von ihnen im Sterben. Rachel nahm ihn bei der Hand und führte ihn hinauf in ihr Zimmer. Unten schliefen die Kinder, ihr Bruder Lionel reparierte im Stall Pferdegeschirre, und ihre Mutter konnte jeden Augenblick zurückkommen, doch sie liebten sich trotzdem - in ihren Kleidern auf Rachels Bett, zärtlich, aber entschlossen und mit einer verzweifelten Dankbarkeit.
Als er später den Langen Weg zurückging, war die Welt für ihn wieder im Lot.
Alex’ Familienname
Shaman gab es einen Stich, als er sah, wie mühsam Alden sich über die Farm schleppte. Sein Hals und seine Schultern waren steifer, als sie es bei Shamans Abreise gewesen waren, und sein Gesicht wirkte wie eine starre, geduldige Maske, auch dann, wenn ihn schwere Anfälle quälten. Er tat alles langsam und bewusst, wie ein Mann, der sich zitternd unter Wasser bewegt.
Aber sein Verstand war klar. Er fand Shaman im Stall und gab ihm die kleine Vitrine, die er für Rob J.s Skalpell geschreinert hatte, und das neue Bistouri, um das Shaman ihn gebeten hatte. Dann bat er Shaman, sich zu setzen, und er berichtete ihm in knappen Worten, wie die Farm den Winter überstanden hatte, die Anzahl der Tiere, die Menge des verbrauchten Futters und die Aussichten für den Lämmerwurf im Frühling. »Ich lasse Doug trockenes Holz ins Zuckerhaus bringen, damit wir Sirup kochen können, sobald die Baumsäfte fließen.« »Gut«, sagte Shaman. Er zögerte einen Augenblick und machte Alden dann das unangenehme Geständnis, dass er Doug aufgetragen habe, sich für die im Frühjahr anfallenden Arbeiten nach einem guten Handlanger umzusehen.
Alden nickte langsam. Er räusperte sich lange und spuckte dann umständlich aus. »Bin nicht mehr so frisch, wie ich’s mal war«, sagte er, als wolle er Shaman das schonend beibringen. »Soll diesen Frühling doch ein anderer pflügen! Ist auch nicht nötig, dass der Vormann einer Farm die schwere Arbeit tut, wenn wir junge Kerle bekommen können, die ihre Muskeln spielen lassen wollen«, sagte Shaman, und Alden nickte noch einmal, bevor er den Stall wieder verließ. Shaman sah, dass er einige Zeit brauchte, um in Bewegung zu kommen, wie ein Mann, der beschlossen hat zu pinkeln, aber nicht kann. Doch hatte er dann den ersten Schritt gemacht, bewegten sich seine Füße gleichmäßig und wie aus eigenem Antrieb, und der Rest von Alden ließ sich von ihnen einfach davontragen.
Es tat Shaman gut,
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