Medicus 02 - Der Schamane
wieder in seiner Praxis zu sein. Sosehr die Nonnen sich auch bemüht hatten, für seine Patienten zu sorgen, einen Arzt konnten sie nicht ersetzen. Einige Wochen lang arbeitete er sehr schwer, er holte aufgeschobene Operationen nach und erledigte pro Tag mehr Hausbesuche als früher.
Als er eines Tages beim Konvent vorbeischaute, begrüßte Mater Miriam Ferocia ihn freundlich und hörte mit stiller Freude seinem Bericht von Alex’ Rückkehr zu. Auch sie hatte Neuigkeiten zu berichten: »Die Erzdiözese hat uns mitgeteilt, dass unser vorläufiger Haushaltsplan bewilligt ist, und man fordert uns auf, mit dem Bau des Krankenhauses zu beginnen.«
Der Bischof hatte sich die Pläne persönlich angesehen und sie für gut befunden, den Nonnen aber davon abgeraten, das Hospital auf Klostergrund zu bauen. »Er meint, der Konvent sei zu schwierig zu erreichen, zu weit vom Fluss und den Hauptstraßen entfernt. Jetzt müssen wir uns einen Bauplatz suchen.« Sie griff hinter ihren Stuhl und reichte Shaman zwei schwere, cremefarbene Ziegel. »Was halten Sie davon?« Sie waren hart und klirrten beinahe, als er sie aneinanderstieß. »Ich verstehe zwar nicht viel von Ziegeln, aber die sehen wunderbar aus.«
»Die ergeben Mauern wie für eine Burg«, sagte die Oberin. »Das Krankenhaus wird im Sommer kühl und im Winter warm sein. Es sind sehr dicht gebrannte Ziegel, die nehmen kein Wasser mehr auf. Und sie sind hier in der Gegend erhältlich, bei einem Mann namens Rosswell, der neben der Lehmgrube auf seinem Grund eine Ziegelbrennerei errichtet hat. Er hat so viel vorrätig, dass wir mit dem Bau beginnen können, und er ist ganz erpicht darauf, noch mehr für uns zu brennen. Er sagt, wenn wir eine dunklere Farbe wünschen, kann er die Ziegel räuchern.«
Shaman hob die Ziegel, die sich solide und konkret anfühlten, als halte er bereits die Wände des Krankenhauses in der Hand. »Ich finde, diese Farbe passt ausgezeichnet.«
»Das finde ich auch«, erwiderte Mater Miriam Ferocia, und die beiden lachten sich fröhlich an, wie zwei Kinder, die sich eine Süßigkeit teilen.
Spät an diesem Abend saß Shaman in der Küche und trank mit seiner Mutter Kaffee. »Ich habe Alex von seiner... Verwandtschaft mit Nick Holden erzählt«, sagte sie.
»Und wie hat Alex es aufgenommen?«
Sarah hob die Schultern. »Er hat es... einfach akzeptiert.« Sie lächelte schwach. »Er könne genausogut Nick Holden zum Vater haben wie einen toten Verbrecher, hat er gesagt.« Sie schwieg einen Augenblick, doch dann wandte sie ihr Gesicht wieder Shaman zu, und er sah, dass sie nervös war.
»Reverend Blackmer verläßt Holden’s Crossing«, sagte sie. »Der Pfarrer der Baptistenkirche in Davenport ist nach Chicago berufen worden, und die Kongregation hat Sydney die freie Stelle angeboten.« »Das tut mir leid. Ich weiß, wie sehr du ihn schätzt. Und jetzt muss die Kirche hier sich wieder nach einem neuen Priester umsehen.«
»Shaman«, sagte sie. »Sydney hat mich gebeten, mit ihm zu gehen - ihn zu heiraten.«
Er nahm ihre Hand, sie war kalt. »... Und was willst du tun, Mutter?«
»Wir sind... einander sehr nahe gekommen, seit seine Frau gestorben ist. Und als dann ich Witwe wurde, war er für mich ein Turm der Kraft.« Sie drückte fest Shamans Hand. »Ich habe deinen Vater wirklich und aufrichtig geliebt. Ich werde ihn immer lieben.«
»Ich weiß.«
»In ein paar Wochen ist es ein Jahr seit seinem Tod. Hättest du etwas dagegen, wenn ich noch einmal heirate?« Er stand auf und ging zu ihr.
»Ich bin eine Frau, die nur als Ehefrau leben kann.«
»Ich will einzig, dass du glücklich bist«, sagte er und legte seine Arme um sie.
Sie musste sich beinahe mit Gewalt aus seiner Umarmung lösen, damit er ihre Lippen sehen konnte. »Ich habe Sydney gesagt, wir können nicht heiraten, solange Alex mich noch braucht.«
»Ma, es ist besser für ihn, wenn du ihn nicht mehr hinten und vorne bedienst.«
»Wirklich?«
»Wirklich.«
Ihr Gesicht strahlte. Einen Augenblick sah er, wie sie wohl als junges Mädchen ausgesehen haben musste, und das Herz blieb ihm beinahe stehen.
»Danke, mein lieber Shaman! Ich werde es Sydney sagen«, rief sie freudig.
Der Stumpf seines Bruders verheilte wunderbar. Alex war in der beständigen Obhut seiner Mutter und der Kirchendamen. Obwohl er zunahm und seine knochige Gestalt allmählich wieder kräftig wurde, lächelte er selten, und sein Blick blieb überschattet. In Rock Island schuf sich eben ein Mann namens
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