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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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asiatischen Ufer. Früher hatte es nicht nur eine Eisenkette gegeben, die den Zugang zum Kriegshafen und zum Goldenen Horn versperrte, sondern auch noch eine zweite, die sich von der innerhalb des kaiserlichen Palastbezirks gelegenen Gotensäule bis zum hölzernen Leuchtturm, dem Leanderturm, kurz vor dem asiatischen Ufer spannte – und von dort aus weiter bis nach Chrysopolis. Auf diese Weise war es in besseren Zeiten des byzantinischen Kaiserreichs möglich gewesen, die Einfahrt in den Bosporus für sämtliche Schiffe vollkommen abzusperren und damit eine der wichtigsten Handelsstraßen unpassierbar zu machen. Mittlerweile gehörte Chrysopolis zum Reich des Sultans. Er kontrollierte die Meerenge am Bosporus und an den Dardanellen. Zwar vermochten die Osmanen nicht, es den Rhomäern gleichzutun und Ketten über das Wasser zu spannen, die Zahl ihrer Kriegsschiffe war jedoch der Konstantinopels überlegen; dasselbe galt für die Anzahl der Kanonen, die in den Festungen zu beiden Seiten des Bosporus stationiert waren. Konstantinopel hatte schon lange nicht mehr die Macht, den Bosporus zu verschließen, dazu fehlte dem Kaiser in diesen Tagen schlicht und ergreifend jener wenn auch noch so kleine Landstreifen am asiatischen Ufer, auf dem Chrysopolis lag. Der Sultan hingegen hatte diese Macht jederzeit. So hatten sich die Gewichte im Laufe der Zeit verschoben.
    »Darf ich gehen?«, fragte Seriféa.
    »Nein, warte noch einen Augenblick.«
    »Ja, Herrin.«
    »Was hat dir Davide über mich und meinen Bruder berichtet?«
    »Ich fürchte die Pest nicht«, sagte sie. »Sie schlägt den, den der Herr damit schlagen will. Es liegt nicht in unserer Hand. Also habe ich nichts dagegen einzuwenden, Euch die Nahrung zu bringen. Davon abgesehen bin ich verschwiegen. Alles, was ich in Ihrem Haus höre oder sehe, bleibt in seinen Mauern.«
    Anscheinend hatte Davide umfassender mit seiner Großnichte Seriféa gesprochen, als es Maria im ersten Moment genehm war. Aber vielleicht war das auch gut so. Wenn sich Davide Scrittore durch eine besondere Eigenschaft auszeichnete, dann war dies neben seiner absoluten Loyalität ganz gewiss seine gute Menschenkenntnis. Und wenn er jemanden seines Vertrauens für würdig hielt, dann lag er damit normalerweise richtig. Immer wieder hatte er Marias Vater Berater und Helfer empfohlen, deren Tätigkeit sich im Nachhinein als äußerst wertvoll erwiesen hatte. Warum sollte ich ihm in dieser Sache also nicht auch trauen?, ging es Maria durch den Kopf.
    »Erzähl mir etwas mehr über dich«, forderte Maria. »Dann weiß ich besser, ob und inwieweit ich dir trauen kann.«
    »Meine Eltern und drei meiner Geschwister starben ebenfalls an der Pest, so wie es mit Euren Eltern geschah«, sagte Seriféa, ohne dabei den Blick zu heben. Während sie mit einer Stimme sprach, die sehr gefasst und stark klang, griff sie mit einer schnellen Bewegung nach dem messingfarbenen Kreuz, das sie an einem Lederband um den Hals trug. Offensichtlich war es die Kraft des Glaubens, die ihr angesichts dieser Schicksalsschläge die nötige Kraft verlieh, um weiterleben zu können, ohne die Hoffnung zu verlieren.
    »In den Ländern des Sultans wütet diese Krankheit anscheinend genauso wie innerhalb der Mauern unserer Stadt«, stellte Maria fest.
    Seriféa nickte.
    »Was wohl heißt, dass die Anhänger Mohammeds und die Christen Gott in gleichem Maße fernstehen müssen, denn sonst würde er sie nicht in derselben Weise geißeln!« Ein Anflug von Bitterkeit klang jetzt in ihrem Tonfall mit, obgleich sie davon in ihren Gesichtszügen nichts erkennen ließ.
    »Es ist nicht so, dass ich über deine Dienste hier unglücklich wäre oder etwas daran auszusetzen hätte«, legte Maria schließlich klar. »Aber ich weiß nicht, ob du dir wirklich einen Gefallen damit getan hast, in diese Stadt zu kommen, die langsam vor sich hin stirbt.«
    »Ich hatte keine Wahl – und bin sehr froh, im Haus von Davide untergekommen zu sein. Ihr müsst nämlich wissen, dass mancherorts in den Ländern des Sultans die Christen für den Ausbruch der Seuche verantwortlich gemacht werden – so, wie es heißt, dass in den Städten der christlichen Kaiser eher die Juden als Sündenböcke herhalten müssen, obgleich aller Wahrscheinlichkeit nach keine der beiden Gruppen irgendetwas mit dieser Plage zu tun hatte.«
    »Nein, gewiss nicht.«
    »Diese Geißel Gottes ist wie ein unsichtbarer Krieger, der seine Opfer blindwütig und anscheinend ohne Wahl erschlägt.

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