Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra

Vom Netzwerk:

Sie war nur ein Mensch, gleichgültig, wer ihre Mutter gewesen war.
    Er zog ihr die Schuhe aus; griff unter sie, um ihr auch die Jeans abzustreifen. Unter der Kleidung war sie wunderschön, gut gebaut und stark, blass und glatt wie eine entrindete Weide.
    Er bettete sie wieder zwischen die Kürbisse. Seine Hände streiften ihre Rippen, als er das knappe Top zurechtzog, so dass es ihre Brüste mit den rosa Brustwarzen wieder bedeckte. Eine unerwartete Begierde bildete in seinem Bauch einen Kloß, ließ seinen Schwanz erneut steif werden.
    Grimmig kehrte sein Blick wieder zu ihrem Gesicht zurück. Die Kinder der See lebten im gegenwärtigen Moment und folgten ihren Launen und Wünschen wie dem Sog der Gezeiten. Doch Conn herrschte seit 900 Jahren in Menschengestalt vom Turm zu Caer Subai aus. Er hatte – unter Schmerzen – gelernt, seine Natur zu kontrollieren, abzuwägen und zu kalkulieren und dann zu entscheiden. Er würde sich von seinem Ziel nicht abbringen lassen.
    Er zog sein Messer aus der Scheide an seinem Knie.
    Getreide stand in kleinen Flecken um sie herum, wie Skelette des Sommers unter all den Kletterpflanzen, die sich um Stäbe und Fäden rankten. Conn packte mit einem Arm eine Garbe und schnitt sie mit einem einzigen Hieb nah am Boden ab. Er band die trockenen Halme mit einer Kletterpflanze zusammen, und zwar so, dass sich eine Taille, ein Hals und Beine formten. Oben ließ er den Schopf offen, als wäre es langes, drahtiges Haar.
    Er legte die Kornpuppe neben Lucy auf den Boden. Mit dem Blick maß er die Länge ab. Sie waren beide ungefähr gleich groß. Er zog der Puppe Lucys Kleider an, indem er ihre Kornbeine in die Jeans zwängte und ihren Oberkörper in das Sweatshirt. Er schwitzte, als er fertig war. Schmutz und Spreu klebten auf seiner Haut.
    Neben Lucy kniend, nahm er ihren Schopf in die Hand, wie er es bei der Garbe getan hatte, und zählte einzelne Haare ab:
eins, zwei, drei … sieben.
Ihr Gesicht zeigte keine Regung, ihre Haut war kalt und bleich.
    Unvermutet traf ihn ein Stechen unter den Rippen. Er benutzte Sex als Mittel zum Zweck, als Waffe. Er hatte nicht erwartet, dass er in seiner Hand zu einem Messer werden würde. Aber er durfte nicht zulassen, dass seine Gefühle, ihre Gefühle eine Rolle spielten. Er tat, was er tun musste.
    Er ballte die Hand zur Faust und riss ihr das Haar samt den Wurzeln aus.
    Über ihre Lippen kam mit dem Atem ein stummer Schrei. Ein Blutstropfen zeigte sich auf ihrer Kopfhaut, aber dank seiner Zauberkunst schlief sie weiter.
    Er biss die Zähne zusammen, berührte mit dem Finger erst ihr Blut und dann die Mitte der Kornpuppe, der
claidheag
, dort, wo ihr Herz sitzen würde. Wenn ein solches Geschöpf denn ein Herz besäße. Sein Finger brannte. Er spürte, wie die Hitze seinen Arm hinaufkroch und sich in seinem Kopf Kraft wie eine Migräne aufbaute und pulsierte. Er band die sieben Haare an die Ranke oben am Schopf.
    »Wisse«, befahl er. Der Druck hämmerte gegen seine Schläfen.
    Er pustete auf diesen gesichtslosen Kopf. »Atme.«
    Er drückte den Handballen zwischen Lucys Beine, die noch immer feucht von ihren innersten Säften und seinem Samen waren. Die Magie packte seinen Hals wie mit Klauen, versenkte ihre Reißzähne in seinen Schädel und quetschte sein Gehirn zusammen. Er wischte mit seiner feuchten Hand über die trockenen Halme der
claidheag
, um sie zum Leben zu erwecken.
»Sei.«
    Er fühlte das Aufwallen, die Erschütterung konzentrierter Kraft, die von ihm auf die Garbe dort auf dem Boden übersprang.
    Vollbracht.
    Die Kraft ebbte ab und ließ ihn entleert zurück. Sein Kopf klopfte von den Nachwehen des Zaubers, die
claidheag
lag steif und still da.
    Conn holte Luft und hielt den Atem an, um die plötzliche Leere in seiner Brust zu füllen.
    Lucy schlief weiter, unwissend.
    Er nahm sie auf seine Arme und trug sie fort. Sein Werk ließ er auf dem Acker zurück.

    Die trockenen Halme raschelten.
Wisse.
    Der Wind flüsterte.
Atme.
    Die Erde verströmte Wärme.
Sei.
    Die Brise spielte mit dem Bündel auf dem Boden. Das Haar der
claidheag
, von dem hellen Goldton eines Getreide- oder Strohhalms, flatterte, während es glatt und weich wurde. Unter den Kleidern der Puppe wuchsen Gliedmaßen heran, wurden geschmeidig, nahmen Form an, Fleisch.
    Von den Ästen einer Fichte flog eine Krähe auf und kreischte protestierend oder warnend.
    Die Kornpuppe öffnete die Augen, die das Grüngelb von Kürbispflanzen hatten. Lucys Augen in Lucys