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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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spürte ich die
Wärme, die von seinen Händen ausging. Sie wanderte meine
Wirbelsäule entlang und verteilte sich in meinem ganzen Körper.
Den Regen, den mir der Wind ins Gesicht blies, nahm ich
kaum noch wahr. Am liebsten hätte ich mich zurückgelehnt
und gegen Cyrils Brust sinken lassen. Es kostete mich eine ungeheure
Willensanstrengung, es nicht zu tun.
    »Gordy kann das auch«, sagte ich leise wie zu mir selbst, während
ich dastand wie ein Stock, unfähig, mich zu rühren.
    »Was?«
    »Gefühle beeinflussen.«
    »Das habe ich befürchtet.« Cyril seufzte. »Diese Fähigkeit
scheint unter allen Nixarten verbreitet zu sein.«
    »Er würde mir aber niemals etwas antun«, erklärte ich mit
fester Stimme.
    »Schon möglich, Elodie«, erwiderte Cyril. »Aber er ist ein
Delfin. Der perfekte Schauspieler also. Hainixe können sich
nicht verstellen. Sie sind, wie sie sind. Delfinnixe dagegen
haben zwei Gesichter.«
    »Alle?«
    »Alle.«
    »Aber du kennst sie doch gar nicht richtig«, hielt ich dagegen.
»Wenn du nicht einmal wusstest, dass sie Gefühle beeinflussen
können.«
    »Keine Sorge, Elodie, ich kenne sie gut genug, um ihren
Charakter beurteilen zu können«, sagte Cyril und sein Griff
um meine Schultern wurde fester. »Schließlich leben wir in
denselben Ozeanen. Allerdings gehen wir einander möglichst
aus dem Weg.«
    »Ihr seid also verfeindet?«
    »So würde ich das nicht nennen.« Ich hörte, wie Cyril scharf
Luft einsog. »Wir leben nebeneinander, der eine nimmt dem
anderen nichts weg. Mag sein, dass die Delfinnixe uns darum
beneiden, dass wir im Wasser
und
an Land leben können …«
    »Tja, und nun sind sie
auch
an Land gekommen«, murmelte
ich.
    »Eben«, sagte Cyril. »Und ich habe …« Er brach kurz ab und
fuhr dann fort: »
Keiner
von uns hat auch nur den Funken einer
Ahnung, wie das möglich war und aus welchem Grund es geschehen
ist, ausgerechnet jetzt, zu diesem Zeitpunkt …«
    Unheil bringst du. Großes Unheil über die Inseln. Tod und Schrecken

    Die Worte, die Cecily Windom ausgespien hatte, als ich ihr
das erste Mal begegnet war, hatten sich regelrecht in mein Gehirn
eingemeißelt.
    »… zu dem
ich
hier auf Guernsey aufgetaucht bin«, vervollständigte
ich flüsternd Cyrils Worte.
    »Darauf darfst du nichts geben«, sagte er. Offensichtlich
hatte er wieder einmal in meinen Gedanken gestöbert. »Das ist
nichts weiter als ein dummer Zufall. Silly spürt lediglich, dass
ein Unheil geschieht, sie sieht aber keine Zusammenhänge.«
    Genau das hatte er vor Wochen, als es passierte, auch schon
gesagt. Ebenso Tante Grace. Am nächsten Tag war Laurens
Leiche gefunden worden und ich hatte mich sofort schuldig gefühlt. Natürlich gab es keinen logischen Zusammenhang
zwischen meiner Ankunft auf Guernsey und Laurens Tod auf
Sark, an einen bloßen Zufall mochte ich trotzdem nicht glauben.
Mit Cyril wollte ich darüber aber nicht reden, also schob
ich diese Gedanken beiseite und fragte: »Wie viele von euch
leben überhaupt hier auf den Kanalinseln?«
    Er zuckte die Achseln. »Einige wenige.«
    »Und? Kenne ich sie?«
    Ich rechnete mit einem klaren Nein, insofern haute es mich
schier um, als er sagte: »Ja, sicher. Nicht alle, aber …«
    Ich wirbelte herum und fand mich prompt in seinen Armen
wieder, denn dummerweise hatte ich für eine Sekunde vergessen,
dass er direkt hinter mir stand.
    Cyril lächelte. Behutsam ließ er seine Hände an meinem
Rücken hinuntergleiten.
    »Lass mich los!«, zischte ich.
    »Oh, und ich dachte …« Er stockte und eine Spur Enttäuschung
huschte über sein Gesicht, dann nahm er seine Hände
zur Seite und trat einen Schritt zurück. »Entschuldige bitte.«
    Ich hielt es für besser, nicht weiter darauf einzugehen, und
rief mir stattdessen alle Personen ins Gedächtnis, die ich bisher
hier auf Guernsey kennengelernt hatte.
    »Wer? Meine Tante?«
    Cyril schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Ich atmete auf.
    »Wer dann?«
    »Wir verraten einander nicht«, erwiderte er. »Aber ich bin
sicher, du wirst es herausfinden.«
    »Javen Spinx«, sagte ich und achtete auf jede noch so kleine
Regung in seiner Mimik, doch Cyril ließ sich nichts anmerken, sondern zuckte nur mit den Schultern. »Wie gesagt, wir
verraten einander nicht.«
    »Das ist auch eine Antwort.«
    Meines Erachtens kam außer Javen Spinx ohnehin kaum
jemand anders infrage. Jedenfalls konnte ich mir nicht vorstellen,
dass einer aus der Clique ein Hainix war. Keiner von
ihnen ähnelte Cyril auch nur im Geringsten. Die

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