Mehr als fromme Wuensche
uns Zuflucht suchen. Wird Religionsfreiheit eigentlich ernst genug genommen bei Abschiebungen? Und was sagt all das über die Situation in Afghanistan? Hieß es nicht, dort sei Freiheit eingekehrt?
Auch in Deutschland haben wir erlebt, wie die Glaubensfreiheit brutal unterdrückt wurde. Das galt für Jüdinnen undJuden in der Zeit des Nationalsozialismus. Millionen von Menschen wurde brutal ermordet, weil sie jüdischen Glaubens waren oder auch nur dem Judentum zugeordnet wurden von einer rassistischen Ideologie. Und auch etliche Christinnen und Christen, die für die Freiheit und für Nächstenliebe eintraten, mussten für ihre Glaubensüberzeugungen sterben. So lange ist das noch gar nicht her. Es ist wichtig, sich zu erinnern, um die Glaubensfreiheit wertzuschätzen.
Als Christin finde ich Freiheit im Glauben. Freiheit auch, den Glauben anderer zu respektieren, die Religionsfreiheit aller zu bejahen. Das müssen wir aufrecht erhalten in unserem Land und dafür sollten wir energisch eintreten in allen Ländern. Im Dialog der Religionen sollten wir gemeinsam betonen: Es ist gut und wichtig, ja großartig, dass es Religionsfreiheit in Deutschland gibt. Lasst uns gemeinsam dafür eintreten, dass das überall auf der Welt gilt. Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht, das verteidigt werden muss. Da können nicht unterschiedliche Maßstäbe gelten.
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen.“ (Galater 5,1)
Mir ist wichtig, dass die Freiheit zum Unterscheiden der Geister dient. Welcher Geist wirkt, das ist an der Freiheit zu spüren. So mancher Zeitgeist heute ist ein Geist des Lamento, der Zukunftssorge, des Klammerns an Bestehendes. Da wirkt nicht der Geist Gottes! Das ist ein Geist der Anpassung, der Angst, der Enge. Wer sich innerlich frei weiß vom Urteil anderer, von Zeitströmungen, von kurzfristigem Applaus, hat Mut zur Zukunft, Lust am Gestalten, Freude am Leben.
Der Gedanke der Freiheit war und ist für die Kirche der Reformation von zentraler Bedeutung. In seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ hat Martin Luther dasbis heute auf bemerkenswerte und anregende Weise ausgeführt. Die Spannung zwischen seinem Satz „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan“, und dem anderen, „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan“ ist dabei wegweisend. Die Freiheit eines Christenmenschen ist also einerseits ganz ohne Voraussetzung. Schlicht geschenkte Freiheit. Und doch ist sie nicht ohne Folgen. Diese Freiheit berührt zuallererst Glaubensfragen, jeder Zwang wird hier abgewehrt. Daraus entsteht die Freiheit des Gewissens, die sich dann als verantwortliche Freiheit im persönlichen und öffentlichen Leben umsetzt.
Freiheit im evangelischen Sinne ist deshalb nie der Libertinismus, mit dem Freiheit heute allzu oft verwechselt wird, sie ist nie die Banalisierung und Trivialisierung von Werten und Standpunkten. Nein, um Verantwortung geht es und um Bindung an Gottes Wort. Freiheit im evangelischen Sinne ist deshalb auch nicht liberal im Hinblick auf absolute Individualität; sie weiß sich vielmehr bezogen auf Gemeinschaft.
Kirche – wer ist das?
M ich erreichen ja oft tiefe Seufzer und manchmal heftige Beschwerden. Da gibt es Ärger über den Pastor, dort über den Friedhof, hier über den Konfirmandenunterricht. Oder es heißt, „die Kirche“ sollte gefälligst dies oder das tun. Dann versuche ich zu antworten: Die Kirche ist eben nicht die Bischöfin oder das Landeskirchenamt oder der Pastor. „Du bist Kirche!“ Martin Luther hat vom Priestertum aller Gläubigen gesprochen, da gibt es zwar unterschiedliche Aufgaben, aber keine Hierarchie und keinen Weihestatus. Der Apostel Paulus hat die Gemeinde oder Kirche in der Bibel einmal mit einem Körper verglichen und gesagt: Das Auge braucht die Hand und der Kopf braucht die Füße. Das heißt, nicht alle machen dasselbe in der Kirche, aber alle werden gebraucht. Kirche lebt vom Mitmachen, vom Engagement vieler. Klar gibt es da manchmal unterschiedliche Meinungen, es gibt Auseinandersetzungen – das gehört dazu, denn Kirche wird von Menschen gestaltet. Sie entsteht durch Gottes Wort, sie lebt vom Glauben, aber wir alle sind – wie es umgangssprachlich so schön heißt – „das Bodenpersonal“.
Allein in unserer hannoverschen Landeskirche engagieren sich mehr als hunderttausend
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