Mehr als fromme Wuensche
Menschen ehrenamtlich. Das finde ich großartig! Da sind einerseits die Kirchenvorstände, die etwa über die Art der Gottesdienste entscheiden und über vieles andere. Da gibt es ehrenamtliches Engagement beispielsweise im Hospizdienst: Sterbende Menschen werden inihrer letzten Zeit liebevoll begleitet. Andere besuchen Kranke, die sonst einsam und allein wären. „Tafeln“ werden organisiert für Menschen, die sich keine warme Mahlzeit leisten können. Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Wir brauchen Engagement und Vielfalt in unserer Kirche wie in unserer Gesellschaft.
Mir ist wichtig, dass Kirche nicht „die da oben“ sind oder der Pastor, die Pastorin. Jeder Christ und jede Christin sind nicht nur Teil der Kirche, sie können und sollen sie auch mitgestalten. Wer sich ärgert, kann etwas ändern: Indem er zur Kirchenwahl geht oder indem sie sich wählen lässt; indem in der Gemeinde Neues angeregt wird. Solche Veränderungen aber brauchen Engagement nicht nur von Hauptamtlichen, sondern auch von Ehrenamtlichen. „Es sind verschiedene Gaben, aber es ist ein Geist.“ (Galater 12,4)
Im neuen Testament der Bibel stehen Briefe des Apostels Paulus an die jungen christlichen Gemeinden. In seinen Grüßen am Ende dieser Briefe ist zu erkennen, dass in den Gemeinden von Anfang an die unterschiedlichsten Menschen mit den verschiedensten Gaben am Werk sind. Er grüßt etwa am Ende des Römerbriefs im 16. Kapitel die Priska und den Aquila, Maria, „die viel Arbeit um euch gehabt hat“, Andronikus und Junia und viele andere mehr.
Wichtig ist schon damals, dass die unterschiedlichen Gaben zum Tragen kommen können. Die einen können besser die Bibel auslegen, die anderen Kranke begleiten, wieder andere Kinder betreuen. Entscheidend für die Gemeinschaft soll sein, dass dadurch keine Hierarchie entsteht, sondern ein solidarisches Miteinander im Respekt vor dem, was der oder die andere leistet. Gewiss ist das immer auch ein Idealbild. Aber damit auch ein Anspruch, ein Leitbild.
Streik
D ie Kirchen sollten etwas dazu sagen, schreiben mir so manche in den Tagen des Streiks. Aber ich bin hin und her gerissen. Einerseits finde ich es gut, ja beeindruckend, wenn Menschen engagiert sind, sich für etwas einsetzen, Arbeitsplätze erhalten wollen. Und das ist doch wirklich für uns alle ein zentrales Thema, wenn es fast fünf Millionen Menschen ohne Arbeitsplatz gibt! Das kann nicht einfach Normalität sein. Damit können wir uns nicht abfinden. Außerdem ist das Streikrecht, wie das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit, ein hohes Gut. Gerade in Zeiten des Streiks ist uns das noch einmal ganz neu bewusst. In vielen so genannten islamischen Ländern gibt es solche Rechte nicht.
Und dann kommen die Fragen: Der Müll stinkt fast zum Himmel – ein Glück, wenn es eisig kalt ist. Wenn der Elbtunnel dicht ist und das Fußballspiel mangels Fans nicht anfangen kann, ist das schlicht mies. Und wenn gestresste berufstätige Mütter nicht wissen, wohin mit ihren Kindern, weil die Kindertagesstätte bestreikt wird, kann ich ihre Verzweiflung nachempfinden. Wegen 18 Minuten Mehrarbeit ein halbes Land lahm legen? Wer selbstständig ist oder Landwirt oder Ärztin, hat niemals eine 38,5-Stunden Woche! Da geht es zudem doch auch nicht um Unternehmen, die Profit machen und Leute entlassen, sondern um unsere Steuergelder. Es geht um Kommunen und Länder, die eigentlich gar kein Geld mehr haben. Ja, ich weiß, ich bekomme Ärger mit den Gewerkschaften,wenn ich so etwas sage. Und ich bekomme Ärger mit den Unternehmern, wenn ich sie auf ihre soziale Verantwortung verweise, auf die Ungerechtigkeit von 30-prozentigen Gehaltserhöhungen in den Chefetagen und Kürzungen auf den niedrigsten Lohnebenen.
Ach, wie gut, dass ich keine Politikerin bin und auch keine Gewerkschafterin, beide Seiten beneide ich derzeit wirklich nicht. Als Kirchenfrau werde ich „den Teufel tun“ und mich da einmischen.
Manchmal habe ich allerdings den Eindruck – und das werde ich sagen, auch wenn ich mit beiden Seiten Ärger bekomme –, der Streik wird zum Selbstzweck. Da lassen einige die Muskeln spielen und lieben es, ihre Rituale zu zelebrieren. Bis spät in der Nacht wurde verhandelt – wir sollen beeindruckt sein! Müde Männer treten bedeutungsschwer frühmorgens vor die Kameras. So viel Mitgefühl habe ich da nicht. Könnt ihr euch denn nicht ein bisschen früher einigen? Dann könntet ihr eure Kinder abends noch ins Bett bringen und am
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