Mehr als fromme Wuensche
Das wirkt sich dann dramatisch in ihrem Verhalten gegenüber anderen aus.
Vom dritten bis sechsten Lebensjahr nimmt das Lernen dann eine entscheidende Rolle ein. Wenn Kinder in dieser Zeit nicht gefördert werden, wenn sie keine Anregungen erfahren, wird keine Neugier am Lernen geweckt.
Deshalb muss die Lösung der Probleme viel früher ansetzen als in der Schule. Junge Eltern brauchen Hilfe und Unterstützung. Ihnen muss klar werden, dass ihre Kinder anderen nur Respekt und Achtung entgegenbringen, wenn sie das selbst durch ihre Eltern erfahren. Wir müssen ihnen Angebote machen und sie ermutigen, solche Angebote auch wahrzunehmen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Engagement! Horte und Kindertagesstätten könnten Orte werden, an denen Erziehungsberatung geleistet wird. Wir brauchen tatsächlich ein Bündnis für Erziehung, auch wenn viele das gleich skeptisch beäugen! Die nachwachsende Generation sollte uns jede Investition wert sein. Auch damit an Schulen wieder gelernt werden kann. Übrigens sind die Zehn Gebote auch heute noch ein guter Leitfaden für Erziehung, für Nächstenliebe, Respekt und Grenzen.
„Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete auch die andere dar.“ (Matthäus 5, 39)
Was Jesus da mit auf den Weg gibt, löst immer wieder Empörung aus – oder die Reaktion, das sei ja grenzenlos naiv. Der Mensch muss sich doch wehren. Ist das nicht völlig wirklichkeitsfremd, was Jesus da vorschlägt?
Aber wie soll der Kreislauf der Gewalt anders durchbrochen werden? Geschlagen werden und schlagen, das ist eine einzige Eskalation, wie wir sie bis hin zu Kriegen erleben. Die Kettenreaktionen von Gewalt zu durchbrechen ist viel schwieriger. Das Matthäusevangelium macht deutlich: Diejenigen,die der Gewalt widerstehen, sind die wahren Helden der Gesellschaft. Dazu gehört viel mehr Mut als zum simplen Zurückschlagen. Solches Verhalten kann gelernt werden durch Mediation, durch Schulinitiativen wie „Schritte gegen Tritte“ oder durch die Ausbildung von Schülerlotsen.
Verantwortung
E s gibt Daten, die haben sich uns tief eingeprägt. Wie der 26. April 1986. Gut zwanzig Jahre ist das nun her – Tschernobyl! Ich erinnere mich an den 29. April 1986. Auf der Rückfahrt vom Krankenhaus mit unseren neugeborenen Zwillingen war im Radio zu hören, irgendetwas sei wohl in der Sowjetunion passiert. Genauere Informationen gab es nicht, wie üblich in der UdSSR.
Am 1. Mai schien die Sonne, die Babys lagen friedlich auf einer Decke auf dem Rasen, die ältere Schwester spielte im Sandkasten. Abends in den Nachrichten hieß es, das sei das Schlimmste gewesen, was wir hätten tun können. Sand und Rasen waren verstrahlt. „Die Wolke“ war unsichtbar über das Land gezogen.
Wenn das schon bei uns dramatisch war, um wie viel grausamer waren die Ereignisse im Grenzgebiet zwischen der Ukraine, Russland und Weißrussland! Tausende von Einsatzhelfern wurden ohne Schutzkleidung und ohne dass sie sich der Gefahr bewusst waren, eingesetzt, um Grafitbrocken vom Dach des Reaktors zurück in die Halle zu werfen. Die Radioaktivität hat Tausende erkranken lassen, insbesondere in den Schilddrüsen hat das Jod seine Spur hinterlassen. Krebserkrankungen und Missbildungen sind bis heute die Folge bei Kindern. Die Cäsiumbelastung wird noch Jahrzehnte anhalten, Tier- und Pflanzenwelt wurden zerstört. Insgesamt starben 70000 Menschen unmittelbar oder an den Spätfolgen der Katastrophe.Mehr als 135000 Menschen wurden aus ihrer Heimat nahezu planlos umgesiedelt. Die Katastrophe hat auch offensichtlich gemacht, wie sehr in diesem Regime der Schein wichtiger war als die Menschlichkeit.
In Gottesdiensten haben wir 20 Jahre danach dieser Katastrophe gedacht und für die betroffenen Menschen gebetet. Tschernobyl mahnt uns, als Menschen nicht überheblich zu werden. Wir haben nicht alles unter Kontrolle. Wir dürfen nicht meinen, alles sei möglich – wie die Menschen beim Turmbau zu Babel. Tschernobyl galt als Vorzeigeobjekt der Sowjetunion. Aber Menschen machen Fehler, Material kann verschleißen. Als Christinnen und Christen können wir nur immer wieder zur Demut rufen. Die Katastrophe von 1986 mahnt uns, sehr darauf zu achten, wie und wofür wir Energie verwenden. Es ist längst bekannt, dass die Industrienationen ihren Energieverbrauch drastisch reduzieren müssen, zumal in Ländern wie China der Energieverbrauch dramatisch steigt. Wie können neue, erneuerbare Energiequellen
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