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Mehr als nur ein halbes Leben

Mehr als nur ein halbes Leben

Titel: Mehr als nur ein halbes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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Aktenmappe, Handtasche, Windeltasche oder Rucksack. Egal, wo und mit wem ich zusammen bin, mit diesem Teil komme ich mir immer wie ein Sherpa vor. Während ich nach dem Telefon taste, berühre ich meinen Laptop, Buntstifte, Kugelschreiber, meine Brieftasche, Lippenstift, Schlüssel, Goldfisch-Cracker, einen Saftkarton, Visitenkarten, Tampons, eine Windel, Quittungen, Heftpflaster, eine Packung feuchte Tücher, einen Taschenrechner und Schnellhefter voller Unterlagen. Mein Handy berühre ich nicht. Ich stelle die Tasche auf den Kopf, kippe den Inhalt auf dem Beifahrersitz aus und suche danach.
    Wo zum Teufel ist es? Ich habe ungefähr fünf Minuten Zeit, um es zu finden. Mir ist bewusst, dass meine Augen deutlich mehr auf den Beifahrersitz und den Boden achten als auf die Straße. Der Typ, der rechts an mir vorbeischießt, zeigt mir den Mittelfinger. Und spricht in sein Handy.
    Auf einmal sehe ich es, aber nur vor meinem geistigen Auge. Auf dem Küchentisch. Scheiße, Scheiße, Scheiße! Ich bin auf dem Mass Pike, ungefähr zwanzig Minuten von der Arbeit entfernt. Ich überlege eine Sekunde, wo ich abfahren und ein Münztelefon finden könnte. Aber dann denke ich: Gibt es überhaupt noch Münztelefone? Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal irgendwo eins gesehen habe. Vielleicht könnte ich bei einer Drogerie oder einem Starbucks halten. Irgendein netter Mensch dort würde mir bestimmt sein Handy leihen. Nur für eine Minute. Sarah, deine Besprechung dauert die ganze nächste Stunde. Sieh einfach zu, dass du hinkommst.
    Während ich wie ein NASCAR-Fahrer auf Crack die Straße entlangrase, versuche ich in Gedanken, meine Notizen für diese Besprechung zu ordnen, aber es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren. Ich kann nicht klar denken. Erst als ich in das Prudential-Parkhaus einbiege, wird mir bewusst, dass meine Gedanken mit Linus’ Video wetteifern.
    Elmo will mehr über Familien lernen.

DRITTES KAPITEL
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    Ich sitze in der ersten Reihe des Wang Theatre, genau rechts von der Mitte. Ich sehe auf meine Armbanduhr und dann wieder hoch, recke den Hals, halte zwischen den Gesichtern in den überfüllten Gängen nach Bob Ausschau. Eine kleine ältere Frau kommt auf mich zu. Zuerst denke ich, die Frau muss mir irgendetwas Wichtiges zu sagen haben, aber dann wird mir klar, dass sie es auf den freien Platz links von mir abgesehen hat.
    »Dieser Platz ist besetzt«, sage ich und lege eine Hand darauf.
    »Sitzt hier schon jemand?«, fragt die Frau, die braunen Augen düster und verwirrt.
    »Es kommt noch jemand.«
    »Hä?«
    »ES KOMMT NOCH JEMAND.«
    »Ich kann nichts sehen, wenn ich nicht vorn sitze.«
    »Es tut mir leid, aber hier sitzt schon jemand.«
    Die schlammfarbenen Augen der Frau werden auf einmal klar und blicken durchdringend.
    »Da wäre ich mir nicht so sicher.«
    Ein Mann zwei Reihen hinter uns steht von seinem Platz auf und geht den Gang entlang, vielleicht, um zur Toilette zu gehen. Die alte Frau bemerkt es und lässt mich allein.
    Ich berühre den Kragen meines Schlangenledermantels. Ich will ihn nicht ausziehen. Im Theater ist es kühl, und ich fühle mich schön darin. Aber ich will auch nicht, dass jemand Bob seinen Platz wegschnappt. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr und meine Eintrittskarte. Ich bin genau dort, wo ich sein soll. Wo ist Bob? Ich ziehe meinen Mantel aus und lege ihn auf Bobs Platz. Ein kalter Schauder läuft mir den Rücken hinauf bis zu den Schultern. Ich reibe mir meine nackten Arme.
    Dann halte ich wieder nach Bob Ausschau, aber schon bald werde ich von der Pracht des Theaters überwältigt – den prunkvollen roten Samtvorhängen, den hoch aufragenden Säulen, den griechischen und römischen Marmorstatuen. Ich richte meinen Blick nach oben. Die Decke ist offen und bietet einen atemberaubenden Blick in den Nachthimmel. Während ich noch immer verzückt bin von den Sternen über mir, spüre ich auf einmal das sanfte Gewicht eines Schattens auf mein Gesicht fallen. Ich erwarte, Bob zu sehen, aber stattdessen ist es Richard, mein Chef. Er wirft meinen Mantel auf den Boden und lässt sich auf den Platz neben mir fallen.
    »Ich wundere mich, Sie hier zu sehen«, sagt er.
    »Natürlich bin ich hier. Ich bin schon ganz gespannt auf die Vorstellung.«
    »Sarah, die Vorstellung ist vorbei. Sie haben sie verpasst.«
    Was? Ich wende mich zu all den Leuten um, die bereits in den Gängen stehen. Ich sehe nur ihre Hinterköpfe; alle sind im Aufbruch.
    DIENSTAG
    Es ist

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