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Mehr als nur ein halbes Leben

Mehr als nur ein halbes Leben

Titel: Mehr als nur ein halbes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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unterschreibe einen Zettel für Lucy und erlaube ihr, mit zum Plimouth-Planetarium zu fahren. Neben der Frage Werden Sie als Begleitperson mitfahren können? kreuze ich Nein an. In Charlies Rucksack finde ich eine Mitteilung seiner Lehrerin:
    Liebe Mrs. Nickerson, lieber Mr. Nickerson,
    letzte Woche wurden die Zeugnisse versandt, und ich hoffe, dass Sie inzwischen etwas Zeit hatten, sich Charlies anzusehen. Ich würde gern einen Termin vereinbaren, um mit Ihnen beiden persönlich über Charlie zu sprechen.
    Bitte rufen Sie mich an, sobald es Ihnen möglich ist.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ms. Gavin
    Charlies Zeugnis ist nicht das, was sich eine Mutter für ihr Kind erträumt, vor allem nicht, wenn diese Mutter selbst immer – wirklich immer – nur die besten Zeugnisse bekommen hat. Bob und ich wussten, dass es Probleme geben würde, Raum für Verbesserungen bei Dingen wie Lesen und Aufmerksamkeit. Das letzte Jahr bereitete uns ein wenig darauf vor. Aber im Kindergarten wurden Charlies unterdurchschnittliche Noten in einigen Kategorien sowohl von seiner Lehrerin als auch von Bob leichthin abgetan. Er ist eben ein Junge! Er wird sich an das Stillsitzen und den langen Tag schon noch gewöhnen, wenn er in die erste Klasse kommt. Ich erlebe es jedes Jahr. Machen Sie sich keine Sorgen.
    Na ja, jetzt ist er in der ersten Klasse, und ich mache mir Sorgen. Er hat in den meisten Kategorien entweder ein »M« für »Muss sich verbessern« oder eine »3« für »Unter den Erwartungen« bekommen. Selbst Bob wurde blass, als er die Spalte voller Dreien und Ms durchging. Was immer mit Charlie los ist, bei ein paar allgemeinen Floskeln über sein Geschlecht werden wir es diesmal nicht belassen können. Was stimmt nicht mit ihm?
    Von den Lucky Charms ist mir jetzt schlecht. Ich hätte diesen ganzen Zucker nicht essen sollen. Ich klappe meinen Laptop neben der Kaffeemaschine auf dem Tresen auf und sehe nach meinen E-Mails, während ich dastehe und auf das Koffein warte, das mein süchtiges Gehirn braucht. Ich habe vierundsechzig neue Nachrichten. Gestern Abend war ich bis Mitternacht auf, um meinen Posteingang aufzuräumen, das heißt, diese ganzen E-Mails sind in den letzten fünf Stunden eingegangen. Einige sind von Büros an der Westküste, spätabends abgeschickt. Mindestens zwei Dutzend sind von Büros in Asien und Europa, wo man längst mitten im Arbeitstag ist. Ein paar als »dringend« markierte E-Mails sind von einem jungen und nervösen Analysten in Boston.
    Ich vertiefe mich allzu lange in das Lesen und Beantworten, ohne unterbrochen zu werden. Als sich meine Ohren schließlich wieder einschalten, hören sie nichts. Wo sind die Kinder?
    »Lucy? Linus?«
    Nur die Bohnensäcke sehen sich im Wohnzimmer SpongeBob Schwammkopf an. Ich stürme die Treppe hoch und in Lucys Zimmer. Sie sind beide da, was heißt, dass Lucy vergessen hat, das Türchen am Fuß der Treppe einzuklinken, und Linus ganz allein hochgekrabbelt ist. Gott sei Dank hat er nicht versucht, die Treppe wieder hinunterzuklettern, denn seine bevorzugte Methode dabei ist mit dem Kopf voran. Aber bevor ich Gott dafür danken kann, dass er unversehrt ist, bevor ich dafür auf den Holzboden klopfe, dass ich wenigstens an das gedacht habe, was hätte passieren können, und bevor ich Lucy ordentlich dafür zusammenstauchen kann, dass sie das Türchen nicht eingeklinkt hat, verschärfen sich auf einmal all meine Sinne und richten sich auf Linus. Er sitzt auf dem Boden, erkundet nichts und hat den Mund verdächtig geschlossen. Lucy sitzt ein paar Schritte weiter und bastelt Schmuck. Perlen liegen auf dem ganzen Boden verstreut.
    »Linus!«
    Ich packe ihn mit der linken Hand am Hinterkopf und stecke ihm den rechten Zeigefinger in den Mund. Er wehrt sich, reißt den Kopf zur Seite und presst den Mund noch fester zusammen.
    »Linus, mach den Mund auf! Was hast du da drin?«
    Ich kann sie spüren, stochere mit dem Finger in seinem Mund herum und fördere eine kaugummirosa Plastikperle zutage, etwa so groß wie eine Cranberry. Verletzt, beraubt und nicht ahnend, dass sein Leben in Gefahr war, heult Linus los. Bob steht jetzt im Türrahmen, geduscht, angezogen und mit besorgter Miene.
    »Was ist passiert?«, fragt er.
    »Er wäre eben fast an dem hier erstickt.«
    Ich zeige ihm die todbringende Perle in meiner hohlen Hand.
    »Nö, zu klein. Alles okay.«
    Trotzdem, rings um Lucy liegen noch jede Menge größerer Perlen auf dem Boden verstreut, dazu ein paar Münzen,

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