Mehr von deinen Küssen
Schmerzenslaute des gepeinigten Pferdes.
In Gedanken hörte sie sie immer wieder. Sie waren das gespenstische Hintergrundgeräusch eines verzweifelten Anrufs gewesen. Nein, Jackson Cade musste mehr als verzweifelt sein, wenn er sie, Haley Garrett, die neue Tierärztin im idyllischen Belle Terre, um Hilfe bat.
Nachdem sie die Eichenallee passiert hatte, bot sich Haley eine mitternächtliche Szene von South Carolinas Küstenregion, die aus einem Geschichtsbuch über die Südstaaten hätte stammen können. Wenn man das Herrenhaus mit seinem verblichenen Charme und die weitläufigen Rasenflächen davor sah, hätte man meinen können, die Zeit sei stehen geblieben.
Das einzig Störende waren die Stallungen. Wenngleich im historischen Baustil errichtet, wirkten sie allzu neu. Für Haley stand außer Zweifel, dass sie nach modernsten Gesichtspunkten ausgestattet waren.
Sie brachte ihren Geländewagen zum Stehen und sprang heraus. Schnell tauschte sie ihre eleganten Sandaletten gegen praktische Stiefel und zog Arbeitshandschuhe an.
Auch wenn ihr paradoxes Outfit sie nicht störte, nahm sie sich vor, in Zukunft Jeans und Hemdbluse in den Wagen zu packen. Dann eilte sie mit ihrer Arzttasche in der Hand zum hell erleuchteten Stallgebäude, froh, dass ihr enger Rock einen Schlitz hatte.
Schon in der Tür merkte sie, dass sie recht gehabt hatte. Der Stall war hypermodern und sehr gepflegt.
“Doc.” Am Ende der blitzsauberen Halle tauchte ein Mann auf.
Haley hatte die Stimme sofort erkannt. “Hallo, Jesse.”
Jesse Lee, ein Cowboy aus Arizona, war Vormann auf der nahe gelegenen Plantage Belle Rêve, wo Gus Cade, der Patriarch der Cades, ein eisernes Regiment führte.
Da er sehr viel von Pferden verstand und da Lincoln Cade, ihr Praxispartner, verreist war, überraschte es Haley nicht, dass man sich in River Trace als Erstes an Jesse gewandt hatte. Doch sie fragte sich, wo die anderen Arbeitskräfte waren.
Wo
er
war. Jackson Cade, Lincolns Bruder, der dritte von Gus Cades vier Söhnen. Der Mann, der sie nicht mochte und es abgelehnt hatte, dass sie seine Pferde behandelte. Bis jetzt.
Haley zwang sich, ruhig zu bleiben. “Wie geht es ihm?”, fragte sie, ohne genau zu wissen, ob sie den tobenden Hengst meinte oder dessen Besitzer. “Der Anruf klang sehr dringend. Ich bin so schnell ich konnte gekommen.”
“Mir scheint, Sie sind ein bisschen zu schnell gekommen”, erwiderte Jesse gedehnt mit Blick auf ihr schickes schwarzes Kleid.
“Haben Sie Probleme, Doc?” Die zweite Stimme, direkt hinter ihr, klang kälter und ihr Unterton stand in einem krassen Gegensatz zu Jesses gutmütiger Neckerei.
Jacksons Miene, als Haley sich nun umdrehte, war sogar noch verächtlicher und kälter. Sie hatte sich seine unterschwellige Beleidigung also nicht nur eingebildet. Haley musste sich sehr zusammennehmen, um Jackson keine entsprechende Antwort zu geben.
Da sie sich nicht einschüchtern oder herausfordern lassen wollte, erwiderte sie ruhig: “Ich bin auf Ihren Wunsch hin gekommen, Mr Cade. Ansonsten habe ich keine Probleme.”
“Aha.” Mit spöttischem Lächeln betrachtete Jackson Cade ihr Dekolleté, das den Ansatz ihrer Brüste freigab. Genauso spöttisch und abschätzend ließ er den Blick über ihr schmal geschnittenes schwarzes Kleid abwärts wandern, um ihn auf ihren abgewetzten Stiefeln verweilen zu lassen und anschließend auf ihren in Lederhandschuhen steckenden Händen.
“Dann sollen wir also annehmen, dass Sie Ihre Besuche bei kranken Tieren immer angetan wie die Königin von Belle Terre machen? Oder anders herum, sollen wir uns geehrt fühlen, dass Sie sich in dieser Aufmachung unter das gemeine Volk mischen?”
Die Bemerkung saß, genau wie er es beabsichtigt hatte. Doch Haley wollte ihm nicht die Genugtuung geben, sie wütend zu erleben. “Wir wissen beide, dass ich noch nie in River Trace war, weil Sie mich nie hier haben wollten. Heute bin ich hergekommen so, wie ich war. Denn es war mir wichtiger, schnell hier zu sein, statt passend angezogen. Lincoln ist verreist, wie Ihnen bekannt gewesen sein dürfte, als Sie sich dazu herabließen, mich anzurufen. Ich bin der Meinung, Sie sollten sich lieber daran erinnern, dass der Teufel in der Not bekanntlich Fliegen frisst.” Sie holte kurz Luft, ehe sie betont gelassen fortfuhr: “Ob mein Outfit nun Ihrem persönlichen Geschmack entspricht oder nicht, wenn mich nicht alles täuscht, bin ich Ihre letzte Rettung.”
Jesse Lee stieß einen seltsamen Laut
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