Mehr von deinen Küssen
Dancer sich einbildete.”
Geschickt wechselte Jesse das Thema, während er Haley den Mittelgang des großen Stallgebäudes hinunterführte. “Sie waren also im Konzert? Ich nehme an, mit einem Mann. Eine gut aussehende junge Dame wie Sie, in einem hübschen Kleid … Es wäre eine Schande, wenn Sie allein hingegangen wären.”
Ob sie mit oder ohne Begleitung ausgegangen war, ging Jesse nun wirklich nichts an. Aber er war für seine Unverblümtheit, seine Redseligkeit und Neugier fast ebenso berühmt wie für sein Gespür im Umgang mit Pferden. Für Letzteres bewunderte Haley den listigen alten Fuchs.
“Danke für das Kompliment, Jesse. Freut mich, dass Sie mich für eine ‘gut aussehende junge Dame’ halten.” Lächelnd merkte sie, dass er auf die Pointe wartete. “Und ja, ich war mit jemandem zum Konzert verabredet. Und zum Dinner auch.”
“Ich nehme an, Daniel Corbett wird es nicht gewesen sein, denn der hat ja wohl dirigiert.”
Diese neugierige Fragerei wurde langsam lächerlich, selbst für Jesse. Doch Haley wollte keine erneute Missstimmung aufkommen lassen. “Es war ein Kammerkonzert, Jesse, keine Orchesteraufführung. Daniel hat nicht dirigiert.”
“Aha.”
Seine Neugier schien keineswegs befriedigt, und Haley wunderte sich, warum ihn das alles interessierte. Sie wollte ihre schwere Tasche gerade in die andere Hand nehmen, als Jackson sie ihr abnahm.
Als sie ihm einen Blick zuwarf, merkte sie, dass er unglaublich müde aussah. In diesem Moment verzieh sie ihm seine Unverschämtheit und hatte Mitleid mit ihm. Doch Mitleid wollte dieser starke, hitzköpfige Mann bestimmt nicht.
Deshalb und auch, um einen sicheren Abstand zu Jackson zu halten, schloss sie zu Jesse auf. “Entschuldigen Sie, Jesse. Ich fürchte, ich habe Ihnen eben nicht ganz zugehört.”
“Unsinn. Sie brauchen sich doch nicht zu entschuldigen. Ich habe eben nur gesagt, dass Daniel, weil er doch Dirigent ist, ganz schön interessant sein muss.”
“Das stimmt.”
“Ich nehme an, diese knappe Antwort bedeutet, dass Sie nicht verraten werden, mit wem genau Sie aus waren?”
Während sie noch überlegte, warum es ihr etwas ausmachte, dass Jackson diese Unterhaltung mit anhörte, brachte sie sie zu Ende. “Genauso ist es. Ich bin hergekommen, um ein Pferd zu behandeln, nicht, um mein Privatleben zu diskutieren.”
Sie musste schmunzeln, weil Jesse enttäuscht aufseufzte. Doch als er an einer verriegelten Pferdebox stehen blieb, verging ihr das Lächeln.
Dancer war in Züchterkreisen als wertvoller Zuchthengst bekannt. Haley hatte ihn noch nicht leibhaftig zu Gesicht bekommen. Doch sie hatte in Fachzeitschriften für Züchter und Tierärzte über ihn gelesen und ihn bewundert. Daher konnte sie kaum glauben, dass das erschöpfte Tier, das da geduckt in der Box stand, das legendäre Pferd sein sollte.
Sein Fell war schweißnass. Es ließ den Kopf hängen, auch der Schweif hing schlaff herab. Keine Spur mehr von der stolzen Haltung des heiß begehrten Zuchthengstes. Vermutlich litt er wegen der Anfälle, die er seit Kurzem hatte, unter schwerer Austrocknung.
“Jackson”, flüsterte Haley, ohne zu merken, dass sie ihn vor lauter Sorge mit dem Vornamen anredete. “Wie lange ist er denn schon in diesem Zustand?”
“Es fing vor ein paar Stunden an.” Jackson stand einen Schritt hinter ihr. “Anfangs war er lethargisch, dann führte er sich ein paar Minuten ziemlich sprunghaft auf. Dancer ist sehr temperamentvoll und eigenwillig. Deshalb sah es zunächst nach einem Anflug schlechter Laune aus. Doch auf einmal drehte er förmlich durch. Wir versuchten alles Erdenkliche, um ihn zu beruhigen. Aber schließlich waren wir am Ende unseres Lateins.”
“Erzählen Sie mir genau, was Sie unternommen haben.” Haley suchte fieberhaft nach einer Erklärung für Dancers Verhalten. “Lassen Sie nicht das kleinste Detail aus.”
Als Jackson ihr jede Behandlungsmaßnahme erläutert hatte, fand sie, dass er umsichtig und vernünftig vorgegangen war. Er hatte einen wachen Verstand und war einfühlsam. Was seine mürrische Reaktion auf sie noch rätselhafter machte.
Haley überlegte angestrengt, während sie das Pferd, das nur noch ein Schatten seiner selbst war, eingehend betrachtete.
Geistesabwesend steckte sie eine sich lösende Haarnadel fest. “Jesse, was haben Sie da vorhin noch gesagt? Es hatte mit den anderen Pferden zu tun.”
“Ich weiß es nicht mehr Wort für Wort, aber ich habe erzählt, wie heftig die anderen
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