Mein auf ewig
Arme weiter nach oben, wodurch ein derartiger Zug auf ihre Schultergelenke entstand, dass auch ein erwachsener Mann laut aufgeschrien hätte.
Der Schmerzenslaut, den sie von sich gab, war so weiblich, dass Trent sich wie das letzte Arschloch vorkam, weil er ihr so wehtat. Dabei hätte sie sicher nicht erst groß überlegt, wenn sie die Chance bekommen hätte, ihm wehzutun.
Er verminderte den Druck ein wenig, was nur bewies, wie lasch er in den letzten beiden Jahren geworden war. Lasch und nutzlos.
„Lassen Sie mich los!“, befahl sie. Doch sie war zu atemlos, um wirklich überzeugend zu klingen.
„Keine Chance! Wer sind Sie, und was tun Sie hier?“
„Das Gleiche könnte ich Sie fragen! Was tun Sie im Haus meiner Schwester?“
„Schwester?“ Oh verdammt! Das war ganz und gar nicht gut.
Trent drehte sie um – diesmal deutlich sanfter – und sah ihr ins Gesicht. Es war zu dunkel, um viel zu erkennen, aber im Licht der Taschenlampe, die sie hatte fallen lassen, konnte er ihre Gesichtszüge zumindest schemenhaft ausmachen. Ihre Lippen waren nicht so voll wie Ashleys, aber Kinn und Nase waren genauso fein geschnitten und ihr Haar genauso hell.
„Wie heißen Sie?“, fragte er, um sicherzugehen.
„Elise McBride.“
Trent kannte diesen Namen. Ashley hatte oft genug von der heiß geliebten Elise gesprochen. Er ließ sie so abrupt los, als wären ihr plötzlich Stacheln gewachsen. „Es tut mir schrecklich leid“, versicherte er ihr rasch. „Ich bin Ashleys Nachbar, und ich dachte, Sie wären ein Einbrecher. Habe ich Ihnen wehgetan?“
Sie ließ sich gegen die Tür sinken und rieb sich die rechte Schulter. Ihr Atem ging viel zu schnell. „Alles in Ordnung. Die Nachbarschaftswache funktioniert hier ja verdammt gut!“
So konnte man das natürlich auch sehen. Tatsache war, dass er das hier ganz schön vermasselt hatte. Und die Sirene, die jetzt in der Ferne zu hören war, machte die Sache auch nicht besser. In ein paar Minuten würde seine Schmach ihren Höhepunkt finden.
Elise konnte nicht aufhören zu zittern. Einen Moment lang hatte sie geglaubt, sie würde das Gleiche erleben, was ihrer Schwester zugestoßen sein musste. Sie war überzeugt gewesen, sie müsse sterben, überzeugt, dass der Mann, der sie völlig wehrlos gemacht hatte, sie töten würde.
Und es hatte nichts gegeben, womit sie ihn hätte aufhalten können.
Mit einem Mal erschien ihr Ashleys Verschwinden noch viel unheilvoller. In jenem kurzen Moment völliger Hilflosigkeit war Elises Hoffnung, ihre Schwester gesund und munter wiederzufinden, schlagartig erloschen. Sie belog sich nur selbst, wenn sie in solchen Fantasien schwelgte.
Schreckliche Dinge passierten nun mal. Und das Rumoren in ihrem Bauch war ein untrügliches Zeichen dafür, dass Ashley etwas Schreckliches zugestoßen war.
Sie zitterte am ganzen Körper, und auch das Atmen fiel ihr nach wie vor schwer. Ihre Lungen fühlten sich richtiggehend nutzlos an. Das Adrenalin baute sich allmählich ab, und sie war nur noch ein einziges Häufchen Elend.
Das Geräusch der Sirene kam näher. Eigentlich war Elise noch überhaupt nicht danach, der Polizei gegenüberzutreten. Sie musste sich unbedingt zusammenreißen, schließlich wollte sie die Polizei dazu bringen, ihr bei der Suche nach Ashley zu helfen. Wenn sie wie ein verwelktes Mauerblümchen aussah, war das nicht unbedingt hilfreich.
Elise drückte den Rücken durch, der ihr beinahe genauso schlimm wehtat wie ihr Hinterkopf. Dieser Typ war wirklich aus hartem Holz geschnitzt. Sie hätte sich beinahe den Schädel eingeschlagen, als sie ihm damit einen Stoß versetzt hatte.
Was nicht zu den klügsten Dingen gehörte, die sie je getan hatte.
„Setzen Sie sich doch einen Moment hin“, sagte er und deutete auf Ashleys Bett. „Sie wirken ganz schön mitgenommen.“ Elise ließ sich auf das Bett fallen, froh, eine Stütze für ihre zitternden Beine zu finden. „Wer sind Sie?“, fragte sie ihn.
„Trent Brady. Ich wohne gegenüber.“
Der Name kam ihr bekannt vor. „Aha! Sie sind also Ashleys ‚scharfer Gärtner‘.“ Ashley hatte so oft von ihm gesprochen, dass Elise sich schon gefragt hatte, ob er nur ihrer Fantasie entsprungen sei. Männer, die so hilfsbereit waren und keine Gegenleistung erwarteten, gab es einfach nicht.
„Oh! Ja, ich mähe ihren Rasen.“
„Und Sie reparieren ihr Auto, beseitigen Wespennester und flicken zerbrochene Mülltonnen wieder zusammen. Sie redet ununterbrochen von Ihnen.“
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