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Mein Bild sagt mehr als deine Worte

Mein Bild sagt mehr als deine Worte

Titel: Mein Bild sagt mehr als deine Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Levithan
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retten würde, wenn er dabei auch sich selbst retten konnte. was er sagen würde.

5
    Später am selben Abend ging ich an deinem Haus vorbei. Mein Kopf war noch voller Pixel, deshalb versuchte ich alles, was ich sah, in Pixel zu verwandeln. Die Straßenlampen in weiße Rechtecke, die Straße in graue. Dein Haus aber sträubte sich dagegen. Ich weiß, dass es jetzt nicht mehr dein Haus ist, aber es ist trotzdem immer noch dein Haus. Es beharrte darauf, auf seine eigene Weise wahrgenommen zu werden. Das hast du mir angetan, sagte es. Nicht mit einer Stimme Ich hörte (noch) keine Stimmen , aber durch die Art, wie es in der Dunkelheit vor mir lag. Es fehlte ihm etwas und ich war schuld daran. Dein Haus wusste es genauso wie ich. Es brannte Licht, aber ich hatte keine Ahnung, ob es bedeutete, dass jemand zu Hause war. Deine Eltern ließen ja immer Licht brennen, auch wenn sie nicht da waren, das hattest du mir schon vor langer Zeit erzählt; Zeitschaltuhren täuschten vor, dass jemand noch wach war und später zu Bett ging. Manchmal haben wir uns einen Spaß daraus gemacht, sie einzuschalten, obwohl deine Eltern da waren. Dann gingen alle Lichter für drei Minuten an – beispielsweise von 03:01 bis 03:04 am Morgen – und ließen das Haus in der Dunkelheit erstrahlen und alles ringsum Schatten werfen. Deine Eltern schliefen immer. Sie erfuhren es nie. Sie schliefen immer bestens, bis sie durch Jack und mich aufgeweckt wurden.
    Ich habe deine Eltern immer gemocht. Wenn deine Geschichte später erzählt werden würde, so hatte ich mir es lange vorgestellt, wäre ich für sie darin der Held. Stattdessen wurde ich zum Überbringer der schlechten Nachricht. Derjenige, der die Sorgen auf sie ablud. »Ist das wieder eine deiner Geschichten? Sag, dass das nicht wahr ist«, sagte deine Mutter. Ich spazierte rein, übergab ihnen das Bündel und ging wieder. Jetzt vermisste ich das Sorgenbündel. Auch wenn ich mich damit völlig übernommen hätte, wäre mir lieber gewesen, mein Heldentum hätte darin bestanden, dich es für mich selbst zu behalten.
    Deine Eltern konnten es an dem Tag im Wald nicht gewesen sein. Keiner von ihnen beiden konnte das Foto gemacht haben. Keiner, der dich wirklich kannte, konnte es gemacht haben. Sie hätten versucht, all dem ein Ende zu setzen. Sie hätten eingegriffen.
    Sie wären nicht dagestanden und hätten zugesehen und Fotos gemacht.

5 A
    Ob sie schlafen können? Das wüsste ich gern … ob ich der Einzige bin, der nicht schlafen kann.

5 B
    Ich wusste, dass es um dich ging.
    Was mich eigentlich nicht besonders überraschte, weil du ja immer im Mittelpunkt gestanden hast. Von allem. Niemand hätte dich irgendwo anders hingestellt. Schon gar nicht ich.
    Sogar jetzt hast du dich geweigert, in Pixel aufgelöst, vergessen, zum Schweigen gebracht, ausgelöscht zu werden. Nicht dass ich dich auslöschen wollte. Im Gegenteil. Ich wollte das Gegenteil.

5 C
    Bei unserer Freundschaft hätte man nicht genau den Tag angeben können, an dem sie anfing. So war es bei uns nicht. Aber ich erinnerte mich genau an den Tag, an dem sie für mich wirklich wichtig wurde.
    Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn in einem etwas zerbricht.
    Ich weiß, durch welche Situationen es ausgelöst wird.
    Ich weiß, durch welche Menschen.
    Ich weiß, wie weh es tut.
    Damals in der sechsten Klasse , erinnerst du dich . Ich hatte einen Zusammenbruch, weil die Demütigungen und die Selbstzweifel und die Wut bei mir eine kritische Masse erreicht hatten. Ich versagte kläglich bei einem Geschichtstest, weil ich ihn total vergessen hatte. Das ganze Schuljahr hatte ich wie verrückt gelernt und mit dieser einen schlechten Note war das alles umsonst gewesen. Dann musste ich auch noch in Sport zwei Extrarunden laufen, weil ich zu »faul« langsam gewesen war, und ich glaubte nicht, dass ich es schaffen würde, entweder müsste ich vorher das Handtuch werfen oder ich würde an einem Lungenkollaps sterben. Die anderen johlten. Und als die Qual endlich vorüber war und ich mich beim Mittagessen zu Tara Jenkins setzen wollte, sagte sie, es sei kein Platz mehr frei, obwohl an ihrem Tisch noch Plätze frei waren. Das alles war zu viel für mich. Ich spürte, wie etwas in mir zerbrach, als ich nach draußen in den Pausenhof flüchtete. Ich fand eine verlassene Stelle, hockte mich hin und fing an, mit der Hand über den Boden zu reiben. Ich fuhr mit der Hand über den groben Asphalt, bis es blutete, bis meine Handfläche rau und aufgeschürft

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