Mein Boss, die Memme
selten sogar der Vorstandsetage selbst Schaden zufügen.
Die Personalabteilungen der Unternehmen haben genaue Vorgaben bei der Suche nach den optimalen Kandidaten für solch ein System. Eingestellt werden Führungskräfte, deren Vita so weià und glatt gebügelt ist wie ein ordentliches Tischtuch. Präferiert werden Menschen ohne Esprit, ohne Ecken und Kanten. Kurzum: die perfekten Memmen. Kein Wunder â ihr Job ist das Jasagen. Spontaneität ist unerwünscht.
Und diese Memmen führen dann Menschen. Durch die Brille des gesunden Menschenverstands betrachtet ein Desaster: Dass sie nicht über genügend Lebenserfahrung verfügen, schlimm genug. Dass sie jeder unangenehmen beruflichen Erfahrung aus dem Weg gehen, bedenklich. Dass sie den Ober-Bossen nicht widersprechen und sich nicht für ihre Mitarbeiter einsetzen â unerträglich.
Warum nehmen wir diesen Zustand widerstandslos hin? Warum wehren wir uns nicht dagegen, dass eine Memme oder eine ganze Memmen-Firma keinerlei Interesse daran hat, eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen? Wir sind das Volk! Es geht uns nicht nur darum, möglichst viel Geld zu verdienen. Wir verbringen so viel wertvolle Lebenszeit mit unserer Arbeit â da wollen wir doch den Sinn dahinter erkennen und Mensch sein dürfen bei unserer gemeinsamen Mission!
Und ich wundere mich auch nach 25 Jahren in Deutschland noch immer darüber, dass dieser Zustand ausgerechnet hier so lange Bestand hat.
Was mich anfangs an deutschen Chefs nervte, ringt mir heute oft genug Bewunderung ab: Deutsche Abteilungen funktionieren tatsächlich oft wie Uhrwerke. Täglich sehe ich die fachliche Präzision, die hier am Werke ist, die Struktur in den Prozessen und die Disziplin bei der Zielerreichung.
Was ich dagegen sehr selten erlebe, ist das, was mir am »American Way of Life« gefällt, und was ich meinem Team hier in Deutschland jeden Tag zu vermitteln versuche: die Macht der Motivation, die in meinen Augen die vordringÂliche Aufgabe jeder Führungskraft ist.
Warum, unter den groÃartigen Voraussetzungen der deutschen Wirtschaft, diese Mutlosigkeit bei den wichtigsten Entscheidungen und Aspekten der Führungsarbeit?
Ich glaube, es liegt daran, dass unsere Bosse selbst in ihrem ganzen langen Berufsleben ganz einfach das Wichtigste selbst nie erlebt haben: wie man Mitarbeiter motiviert, und welche Energie diese Motivation freisetzen kann.
Den meisten Chefs geht es insgeheim nämlich nicht anders als ihren Mitarbeitern. Im Schutz ihrer Büros träumen sie heimlich den groÃen Mitarbeiter-Traum: Von ihrem eigenen Chef ernst genommen zu werden. Sich einbringen zu können. Respekt für ihre Leistungen zu bekommen. Ihre Menschlichkeit nicht verstecken zu müssen. Den Rückhalt der Kollegen zu spüren, wenn es brenzlig wird. Und sich gemeinsam mit dem Team freuen zu können, wenn es Erfolge zu feiern gibt.
All das wünschen sich Bosse genauso wie ihre Mitarbeiter. Doch sie schaffen es nicht, den Rückschluss zu ziehen: dass sie ihren eigenen Leuten genau das verwehren, was sie selbst von ihren Chefs nicht bekommen. Sie merken gar nicht, dass sie selbst die Butthole -Memme sind, die sie insgeheim hassen.
Und genau deshalb möchte ich Sie, als Mitarbeiter wie als Chef, ermutigen: Entscheiden Sie nach Ihrer Intuition und nicht nach einem vorgegebenen Prozessplan. In 99 Prozent der Fälle haben wir aus meiner Erfahrung ohnehin keine ernsthaften Konsequenzen zu befürchten, wenn wir mutige Entscheidungen treffen. Und wenn Sie mich fragen, ob es das Risiko wert ist, lautet meine Antwort: definitiv! Fahren Sie Ihre Karriere zwischendurch ruhig mal gegen die Wand. Das Scheitern kann Ihnen helfen, Ihr Rückgrat zu stärken!
Nein, ich bin nicht verrückt. Aber ich denke, ein paar Brüche machen aus einem zweiseitigen Lebenslauf erst eine Identität. Eine Identität, die uns die Fähigkeiten verleiht, selbst Menschen zu führen. Denn dazu braucht es einen authentischen, mutigen Charakter, und auch ein paar Narben auf der Seele. Holen Sie sich Ihre Schrammen im Kampf gegen das Memmentum â jenes in Ihrem Unternehmen, und vielleicht ja auch Ihr eigenes. Ein Memmentum, das die Memmen ganz oben in den Vorstandsetagen zu verantworten haben.
Nach ein paar geschlagenen Schlachten, wenn Sie einmal Blut geleckt haben, ist es nämlich gar nicht mehr so schwer, dafür aber umso
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