Mein Freund Jossele
getragen, also in jedem Falle von dir, lieber Leser und Steuerzahler.
Die Zahl der Teilnehmer an solchen Veranstaltungen ist immer sehr groß. Gewiss, die Delegierten zum Internationalen Kaninchenzüchtertreffen in Belfast können auf Kaninchenzüchter und ihre Verwandten beschränkt werden, aber unter einem Titel wie »XVIII. Weltkongress für Gedankenfreiheit« ist die Teilnahme praktisch unbegrenzt und erfordert keine sachliche Schulung, steht also auch Politikern offen. Das geheime Kongress-Komitee unseres Parlaments ist ungemein fruchtbar in der Erfindung zugkräftiger Veranstaltungstitel: »Konferenz zur Regelung sachlicher Eingaben«, »Seminar über die Ursachen ökonomischer Stabilitätsschwankungen« und dergleichen mehr. Erfahrungsgemäß empfiehlt es sich, dem zu beratenden Thema eine Prise Sozialismus beizumengen. Das garantiert einen Massenbesuch mit abschließendem Wochenendausflug nach Monte Carlo, wo im Casino die »Internationale« gesungen werden kann.
Ursprung der meisten internationalen Treffen ist ein Loch im Budget der Stadtverwaltung. In diesem Loch setzen sich die Stadtväter zusammen und beraten, wie der zu veranstaltende Kongress heißen soll. Fünfte Welthomöopathentagung? Symposion der Violinschlüsselverbraucher? Nachdem sie einen attraktiven Namen gefunden haben, verschicken sie die Einladungen, reservieren in einem Hotel der Luxusklasse - auf deine Kosten, lieber Leser - ganze Stockwerke für die Delegierten und bereiten kleine Kennkarten vor, die auf dem Rockaufschlag zu tragen sind und aus denen hervorgeht, dass man Herrn Faderico Garcia Goldberg (Honduras) vor sich hat.
Der erste Punkt auf jeder Tagesordnung ist ein Galadiner, bestehend aus mehreren Gängen abgedroschener Phrasen, die in der Begrüßungsansprache eines halbwegs fachkundigen Ministers gipfeln. Währenddessen unterhalten sich die Routiniers an der Tafel über den Dollarkurs auf dem schwarzen Markt, über die lokalen Einkaufsmöglichkeiten und über das städtische Nachtleben. Der Minister wird gut tun, seine Rede vor Beginn der Speisenfolge zu halten, nicht etwa nachher, sonst hat er keine Zuhörer.
Selbstverständlich müssen an einem internationalen Kongress auch einheimische Vertreter teilnehmen. Das wird vom Organisationskomitee auf ungefähr folgende Art geregelt:
»Zugesagt haben bisher der Präsident und die First Lady«, gibt der Sekretär bekannt. »Außerdem kommt der Innenminister und der Parlamentsvorsitzende mit Gattin. Das ist alles, und es ist nicht genug. Wir sollten, damit die Sache nach etwas aussieht, noch den Chef des Generalstabes einladen.
Auch die Führer der Oppositionsparteien und die beiden Oberrabbiner. Und natürlich die Jewish Agency, die zionistischen Frauenvereine und sämtliche Wohltätigkeitsorganisationen. Die Reporter können auf den Fensterbänken sitzen, ferner der Makkabi-Weltverband, die übrigen Sportverbände, die Krankenkassen, die Helena-Rubinstein-Filialen und Dr. Zweigental, der mein Cousin ist.«
»Ihr Cousin ist gestrichen«, sagt der Vorsitzende. »Wir veranstalten einen Kongress und kein Picknick.« Eingeladen wird schließlich das ganze Land mit Ausnahme Dr. Zweigentals.
Das eigentliche Gefahrenmoment internationaler Kongresse liegt im Diskussionsthema. Am dritten oder vierten Tag des organisierten Nichtstuns regt sich allenthalben das dumpfe Gefühl, dass man über die Frage, zu deren Behandlung der Kongress einberufen wurde, denn doch ein wenig sprechen müsse, worauf der norwegische Delegierte, ein hochangesehener Gelehrter, einen dreistündigen Vortrag über die »Einflüsse der Semantik auf die Wirtschaftsplanung der Entwicklungsländer« hält, und zwar in seiner Muttersprache. Es ist sehr bitter.
Ich, zum Beispiel, bewahre eine peinliche Erinnerung an den »IX. Weltkongress zur Wahrung der Menschenrechte« in Berlin. Dort bin ich mit lautem Plumps von meinem Sitz zu Boden gerutscht. Man hatte mich eingeladen, weil die Jüdische Gemeinde, die auf einem gleichzeitig stattfindenden Wohltätigkeitsbasar meine Bücher mit dem Autogramm des Autors zum Verkauf anbot, einen Teil der Flugkosten übernahm, und da konnte ich nicht nein sagen. Beim Bankett und auf den verschiedenen Empfängen stand ich meinen Mann, aber im Verlauf der Kongressdebatten rezitierte ein senegalesischer Dichter eigene Freiheitslieder durch die Nase, und dem war ich nicht gewachsen.
Dessen ungeachtet wohnte ich den weiteren Sitzungen bei, ich musste ja irgendwo essen, und fand mich
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