Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
wichtigen Dokument perfekt war, aber die Anwerber trieben mich zur Eile an, weil sie noch die Kinder hinter mir in der Schlange registrieren lassen mussten. Daher wurde meine Unterschrift nicht so schön wie erhofft.
Trotzdem hatte ich eine Gänsehaut, als ich mich vom Tisch abwandte. Nichts an dem Eine-Milliarden-Jahre-Vertrag wirkte auf mich befremdlich. Ich wusste, im Geiste waren meine Eltern bei mir, wo auch immer sie sein mochten. Mein Vertrag war derselbe, den sie unterzeichnet hatten, und zwar zum ersten Mal als Teenager. Außerdem hatte ich noch kein Verständnis für große Zahlen, weil ich so jung war. Für mich war eine Milliarde Jahre das Gleiche wie hundert Jahre – eine unvorstellbar lange Zeit. Wenn ich die nächste Milliarde Jahre mit meinen Eltern und Freunden zusammen sein wollte, musste ich einfach unterschreiben. Nacheinander setzten auch meine Freunde ihre Namen unter ihre Verträge – und verpflichteten sich zu einem Dienst, den keiner von uns wirklich begreifen konnte. Während ich auf der Straße zwischen dem Spielplatz und den weißen und rosafarbenen Oleanderbüschen stand, wusste ich weder um die wahre Bedeutung dessen, was ich gerade getan hatte, noch um die Erwartungen, die an mich gestellt werden würden. In der einen Minute hatte ich noch ein Liedchen geträllert, und in der nächsten hatte ich mich verpflichtet, meine Seele für eine Milliarde Jahre in den Dienst der Church of Scientology zu stellen. Was auch immer die Zukunft für mich vorgesehen hatte, eines war gewiss: Mein Leben gehörte nicht mehr mir.
KAPITEL 1 Im Namen der Kirche
Eine meiner frühesten Erinnerungen im Zusammenhang mit Scientology war ein Gespräch, das ich mit etwa vier Jahren hatte. Zu der Zeit lebte meine Familie in Los Angeles, und zwar in einer Wohnung, die uns die Church zur Verfügung gestellt hatte. Eines Sonntagmorgens lag ich mit Mom und Dad im Bett und fragte mich, wie es wohl wäre, außerhalb meines Körpers zu sein.
»Wie komme ich aus meinem Körper?«, fragte ich.
Meine Eltern sahen sich lächelnd an, ähnlich wie mein Mann und ich uns jetzt ansehen, wenn unser Sohn eine jener schwierigen Fragen stellt, deren Antwort außerhalb seines Begriffsvermögens steht.
»Können wir alle zusammen aus unseren Körpern heraus und dann im Himmel herumfliegen?«, fragte ich.
»Vielleicht«, antwortete mein Vater. Er war immer darauf bedacht, mich bei Laune zu halten.
»Dann lasst uns das jetzt machen«, verlangte ich ungeduldig. »Sagt mir nur, was ich tun muss.«
»Okay, schließ einfach die Augen«, befahl er. »Sind sie geschlossen? Und jetzt denk an eine Katze.«
»Denken wir alle gleichzeitig daran?«, fragte ich, um mich zu vergewissern, dass ich es richtig machte.
»Ja«, lautete Dads Antwort. »Okay, eins, zwei, drei …«
Mit geschlossenen Augen wartete ich, aber nichts passierte. Ich hörte meine Eltern lachen, begriff aber nicht, was so komisch war und wieso sie mir nicht halfen. Durften sie mir nicht helfen, meinen Körper zu verlassen? Konnten sie mir nur zu bestimmten Zeiten helfen? Konnte ich erst meinen Körper verlassen, wenn ich älter war? Stimmte mit mir etwas nicht?
Ich wusste, dass ich ein Thetan war. Das hatte ich immer gewusst und auch nie etwas anderes geglaubt. Thetan war der Begriff der Scientologen für den unsterblichen Geist, der den menschlichen Körper beseelte, während der Körper selbst im Wesentlichen ein Stück Fleisch war, ein Gefäß für den Thetan. Ein Thetan lebte Leben um Leben, und wenn sein aktueller Körper starb, wählte er sich den nächsten aus und fing wieder von vorne an.
Die Vorstellung, vergangene Leben zu haben, faszinierte mich. Oft bat ich Erwachsene, mir Geschichten von ihren früheren Leben zu erzählen. Ich konnte mich an keines meiner eigenen erinnern, aber mir wurde immer wieder versichert, das käme noch mit der Zeit. Rosemary, die Sekretärin meines Vaters, berichtete mir von Dingen aus ihrem früheren Leben, als sie ein Indianermädchen gewesen war. Sie kamen mir alle sehr wundersam und romantisch vor. Ich konnte es kaum erwarten, mich auch mal an eines meiner früheren Leben zu erinnern. Ich hoffte nur, dass ich nicht böse gewesen war, oder ein einsamer alter Mann. Sicher war ich mindestens eine Prinzessin gewesen.
Damals schien es mir bei Scientology nur darum zu gehen: dass man frühere Leben hatte, seinen Körper verließ und ein Thetan war. Darüber hinaus wusste ich kaum etwas. Aber für ein Kind, das die Vielschichtigkeit
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