Mein Geheimnis bist du
konnte noch nie über ihren Schatten springen. Sie hatte Bedenken, und es war ihre Art, die auch anzumelden. Rein nüchtern betrachtet, war die Idee, die hinter dem Konzept stand, ja durchaus Erfolg versprechend. Andreas Zurückhaltung entsprang der Sorge um die Belastbarkeit der Beziehung ihrer Freundin. So eine Selbständigkeit würde den beiden Frauen einiges abfordern. Sie waren erst ein Jahr zusammen, und schon wollten sie sich dem aussetzen? Ganz abgesehen von den finanziellen Verwebungen.
Andrea konnte nicht anders. »Hast du dir überlegt, was passiert, wenn du und Jasmin . . . wenn es Probleme zwischen euch gibt? Ihr seid mit dieser Geschichte auf Gedeih und Verderb aneinander gefesselt.«
»Jasmin und ich sind alt genug, um Probleme lösen zu können.«
»Ja sicher, aber es gibt Probleme, für die sich keine richtige Lösung findet. Und die schleppt man dann mit sich herum.«
»Du sprichst von Beziehungsproblemen. Von einer möglichen Trennung?«
»Na ja«, druckste Andrea herum. Sie wollte es nicht so scharf formulieren. Aber man musste es doch in Betracht ziehen.
Saskia überraschte Andrea mit erstaunlichem Realitätssinn. »Alles, was die Werkstatt betrifft, unsere jeweiligen Anteile daran, wird vertraglich festgehalten. Ich bitte dich, Andrea, für wie naiv hältst du uns?«
Andrea musste zugeben: Sie hatte Saskia wohl unterschätzt.
»Na? Nun zufrieden?«, fragte Saskia.
»Beruhigt«, meinte Andrea. Und endlich brachte sie ein Lächeln zustande. »Wie ich sehe, habt ihr beide euch über alle Wenn und Aber schon den Kopf zerbrochen. Da kann ich mir das ja sparen.« Ihr Lächeln wurde gelöster. »Entschuldige, aber ich bin wohl berufsgeschädigt. Ich sehe in allem immer die Risiken.«
»Auch Freundinnen wie du sind zu was nütze.« Saskia grinste frech. »Wenn Jasmin und ich mal glauben sollten, alles läuft perfekt und dabei zu euphorisch werden, bist du da, uns auf den Boden der Tatsache zurückzuholen. Das verhindert die Bauchlandung.«
Sie lachten beide.
3.
U nentschlossen haderte Andrea mit sich. Sollte sie ihre Rechercheergebnisse Schössler betreffend per Mail an Mareike Holländer schicken? Die würde das sicher nicht merkwürdig finden. Mailen war eine gängige Methode des internen Informationsaustauschs. Gleichwohl, darüber war sich Andrea im Klaren, konnte sie die erste, direkte Begegnung mit Mareike Holländer nicht ewig vor sich her schieben. Und so war der Anlass, ihr diese Ergebnisse persönlich vorzutragen, ebenso gut wie jeder andere.
Andrea gab sich einen Ruck, griff zum Telefon und wählte die Nummer von Mareike Holländers Apparat. »Lange hier. Haben Sie ein paar Minuten? Es geht um die Schössler-Sache.«
»Ja, kommen Sie nur«, lautete die knappe Antwort.
Andrea legte auf, straffte sich und erhob sich energisch. Ein kurzer Weg zum Fahrstuhl, die Fahrt zwei Stockwerke nach oben, noch einmal wenige Meter, dann stand sie vor Mareikes Bürotür. Andrea klopfte, hörte ein gedämpftes »Ja« und trat ein.
Mareike Holländer sah Andrea entgegen, wies auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. »Bitte.«
Der Aufforderung nachkommend, nahm Andrea Platz und begann ohne Umschweife mit ihrem Bericht. Dessen Quintessenz lautete, dass die Schössler Werft keine Verhandlungen mit anderen Bankhäusern führte oder in den letzten drei Jahren geführt hatte, und falls doch, so war dies nicht bekannt. Es gab, angesichts der Stabilität des Aktienkurses der Schössler Werft, auch kein erkennbares Risiko, welches einem Geschäft mit der Werft entgegen stünde.
Mareike Holländer hörte Andrea aufmerksam zu und unterbrach sie kein einziges Mal mit einer Zwischenfrage. Deshalb erwartete Andrea nun entsprechende Fragen, als sie mit ihrem Bericht fertig war. Sie sah Mareike Holländer abwartend an.
»Wie lange arbeiten Sie schon in dieser Bank?« Die neue Vizechefin saß zurückgelehnt und in entspannter Haltung in ihrem Sessel.
Andrea war etwas verwirrt. Was tat das zur Sache?
»Fünf Jahre, davon zwei als Abteilungsleiterin«, antwortete sie dennoch automatisch.
»Wie oft sind Ihnen in diesen letzten zwei Jahren Fehleinschätzungen unterlaufen?« Die dunkle Stimme ihres Gegenübers klang freundlich, aber neutral.
Die Frage sollte wohl dazu dienen, sich ein Bild von ihr zu machen, entschied Andrea und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Wo beginnt die Fehleinschätzung nach Ihrer Definition?«
»Sagen wir bei einem Verlust von zehn Prozent und größer als hunderttausend
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