Mein Herz ruft deinen Namen
fielen massenweise über die Blätter des Apfelbaums her. Anstatt aufzugeben, musste ich jedes Mal einen neuen Weg einschlagen, um weiterzukommen.
Ich entdeckte zum Beispiel, dass man die Samen vor der Aussaat nur in ein Klümpchen Lehm hüllen muss, um sie vor dem Hunger derjenigen zu retten, die sie auffressen.
Ich begriff mit der Zeit, dass die Feinde nie echte Feinde sind, unser Denken macht sie dazu, und dadurch werden sie unbesiegbar.
Von zehn Pflanzen wird nur eine massiv von den Blattläusen befallen, die anderen werden kaum berührt, und jene Pflanze ist immer die schwächste, die früher oder später sowieso eingegangen wäre. Wenn ich Gift gesprüht hätte, um sie zu retten, hätte ich damit auch alle anderen geschwächt und anfällig gemacht.
Die Krankheiten kommen durch das Ungleichgewicht des Bodens, die verschiedene Qualität der Samen, die Wetterbedingungen.
Einmal, als ich im Juli – wenn seine Pracht am größten ist – meinen Gemüsegarten betrachtete, dachte ich, einen Garten zu pflegen ist nicht viel anders, als ein Orchester zu dirigieren. Da gibt es eine Unmenge Instrumente – Bläser, Schlagzeuger, Streicher –, und jedem muss man das Äußerste abverlangen, denn nur dies – höchste Genauigkeit im Rhythmus – ermöglicht allen anderen, es ebenso zu machen und dadurch den Zauber der Symphonie hervorzubringen.
Aus diesem Grund säe ich neben dem Gemüse immer auch Blumen. Das Nützliche und das Schöne müssen zusammenleben und sich gegenseitig erhellen, sonst unterscheiden sich die Zucchini, die Salatköpfe, die Tomaten, die in Reih und Glied stehen wie beim Militär, kaum von zum Tode Verurteilten – sie warten nur darauf, gegessen zu werden. Ihr Warten auf den Tod ist der Spiegel unserer inneren Armut. Anders dagegen ist es, wenn man Löwenmäulchen oder Calendula daneben pflanzt, die wie kleine Sonnen strahlen. Schönheit lebt auch in den kleinen, scheinbar nutzlosesten Dingen. Aus dem gleichen Grund lasse ich im Garten auch viel Unkraut stehen. Ich besetze ja seinen Raum, nicht umgekehrt. So habe ich gelernt, auch das Unkraut zu achten; indem ich ihm erlaube zu wachsen, biete ich vielen nützlichen Insekten, die sich in seinen Blättern verbergen, Schutz und Schatten. Wenn der Gemüsegarten ein Orchester ist, gehört das Unkraut sicherlich zum Chor.
Ich glaube, meine Art, mit den Pflanzen zu leben, hätte dir sehr gefallen. Du warst ja auch auf die Idee mit den Blumen gekommen. Kurz vor unserer Hochzeit hatten wir meine Großeltern besucht, und während wir mit dem Gemüse für das Mittagessen aus dem Garten kamen, sagtest du zu Großvater, der neben dir ging: »Wäre es nicht besser, daneben auch Blumen zu haben?«
»Blumen? Warum das denn?«
»Blumen braucht man für den Friedhof«, schnitt Großmutter ihm das Wort ab, und dir wurde klar, dass es nicht angebracht war, das Thema weiter zu verfolgen.
Sie waren brave Leute, aber eben altmodisch. Für sie, von lebenslanger Feldarbeit erschöpft, war die Ankunft der Chemie nicht viel anders gewesen als die einer Fee, die das Ungeheuer dieser Plackerei mit ihrem Zauberstab hinter den Horizont verbannen konnte. Ich weiß noch, wie mir der Großvater, als ich schon aufs Gymnasium ging, triumphierend mehrere kleine Flaschen in einem Schränkchen zeigte. »Ich habe mir auch den Ausweis geben lassen«, sagte er zu mir, »ich darf sie alle benutzen. Ich habe gewusst, dass der Fortschritt uns so weit bringen würde, aber ich hätte nicht geglaubt, dass ich es noch erlebe.« Auf jedem Fläschchen war ein Totenkopf mit gekreuzten Knochen abgebildet. »Ist das Zeug nicht gefährlich?«, fragte ich. Er sah mich mit einem ungläubigen Ausdruck an. »Wieso denn? Das ist alles garantiert.«
Was eigentlich garantiert wurde, habe ich nie verstanden.
Bei der Gartenarbeit versuche ich oft, mir das Gesicht meines Großvaters vorzustellen. Wie erstaunt er wäre, wenn er entdeckte, dass sein Enkel – dieser Enkel aus der Stadt, der mit seinem Doktortitel eine unerschöpfliche Quelle des Stolzes war – alles an den Nagel gehängt hat und seinen Lebensunterhalt wieder so mühsam bestreitet wie einst er.
Oft kommen mir seine Gesten wieder in den Sinn; wenn ich einen Strauch festbinde, sind meine Hände wie seine, die gleichen schwieligen Hände, die ich auch sehe, wenn ich die jungen Pflänzchen umsetze – rissige Hände, stark, aber fähig, ihre Kraft im Nu in große Zartheit zu verwandeln.
Ich glaube nicht, dass ich es dir je
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