Mein Herz ruft deinen Namen
Vertrauens.
Vielleicht habe ich dir das nie gesagt, aber Tiere zu haben war als Kind mein erster Wunsch. »Wenn ich groß bin, habe ich einen Stall«, sagte ich eines Morgens zu meinen Eltern. Plötzlich wurde es still im Zimmer – gewöhnlich wünschen sich die Kinder Autos, Flugzeuge, oder sie träumen von Heldentaten. »Möchtest du Bauer werden?«, fragte mein Vater verblüfft. Meine Mutter sah mich ratlos an: »Einen Stall mit einer Kuh?«
»Ja, mit einer Kuh und einem Kalb und auch mit Schafen.« Meine Eltern sind nie mehr auf das Thema zurückgekommen, und auch ich habe den Wunsch angesichts der geringen Begeisterung, die er hervorrief, nur noch in der Stille meines Herzens weiter gehegt.
Ich erzählte ihnen nicht, dass ich eines Tages, als ich mit dem Fahrrad auf dem Land um das Haus der Großeltern herumstreunte, aus Neugier in ein Gebäude hineingegangen war, das ich für eine Ruine hielt, und dann plötzlich vor einer Kuh stand. Offenbar hatte sie wenige Stunden vorher ihr Junges bekommen; zu ihren Füßen, mit den noch verträumten Augen dessen, der aus einer anderen Welt kommt, lag das Kälbchen. Als die Kuh mich sah, schnaubte sie hörbar, als wollte sie sagen: Bleib, wo du bist, näher dich meinem Kleinen ja nicht; du kannst ihn anschauen, aber rühr ihn nicht an. Ihr Blick war nicht drohend, eher majestätisch, stolz, entschieden. Sie hatte feuchte Nüstern, Augen mit langen Wimpern – schwarz, glänzend und tief.
Nur wir drei waren dort, doch es schien, als hätte sich unter unseren drei Blicken das ganze Universum versammelt, als wäre die Zersplitterung meines Lebens einen Moment lang aufgehoben.
Da waren Staunen und Verwunderung und Kraft.
Ein Geschenk, Fürsorge und Wärme.
Da waren die Fragen und die Antworten, alle gesammelt in einem einzigen Hauch.
Deshalb hatte ich bei der Heimkehr mit der Naivität meiner zehn Jahre siegessicher verkündet, dass ich einen Stall wollte.
Wie viel von mir habe ich dir nie gesagt! Wir waren so jung, so voller Begeisterung für die Zeit, die wir erlebten. Es gab die Gegenwart – die Zeit unserer Liebe – und die Zukunft, die das sein sollte, was wir uns in den kommenden Jahren gemeinsam aufbauen würden: die Arbeit, die Wohnung, die Kinder, immer bestrebt, die Welt besser zu machen, als wir sie vorgefunden hatten. Alles, was hinter uns lag, war bedeutungslos, wir waren uns sicher, dass unsere Leidenschaft und unsere Liebe jedes Hindernis überwinden würden.
Es gefiel dir, unser Leben mit einem Wasserlauf zu vergleichen. »Jetzt sind wir ein Gebirgsbach«, sagtest du, »springen ungestüm zwischen Felsblöcken, bilden Wasserfälle, und unser Plätschern und Rauschen hallt von den Gipfeln bis ins Tal. Eines Tages jedoch werden wir Flüsse in der Ebene sein – ruhig, breit und träge –, und wir werden gar keine Geräusche mehr machen außer dem Rascheln, das der Wind erzeugt, wenn er durch die Weiden streicht.«
»Wird das langweilig sein?«, fragte ich.
»Nein, ganz natürlich.«
Nachts im Bett, den Blick auf die Decke geheftet, spielten wir daher oft: »Welcher Fluss möchtest du sein?« »Möchtest du die Dora Baltea sein?«, fragte ich, und du strampeltest die Decke weg und riefst: »Nein! Die Dora Baltea nicht!« Sie schien dir zu klein, zu bescheiden, und auch die Vorstellung, in den Po zu münden, fandest du schrecklich. »Ich will kein Zufluss sein«, sagtest du. »Ich will ein Fluss sein, der direkt ins Meer fließt.«
Deine Leidenschaft war der Amazonas. Du konntest Stunden damit verbringen, mir die außergewöhnliche Tierwelt zu schildern, die dir im Vorbeifließen begegnete: Schmetterlinge, Papageien und die rosafarbenen Delfine, die deinen Lauf flussaufwärts schwammen.
Mein Wunsch, die Wolga zu sein, ließ dich dagegen wohlig schaudern. »Wie kannst du nur! Da gibt es doch nur Steppen, Schnee und Eis.« Dann necktest du mich: »Vielleicht, weil du in Wirklichkeit ein eiskalter Typ bist.«
»Hättest du lieber einen afrikanischen Fluss?«, erwiderte ich, indem ich dich umarmte.
Nur einmal, als ich dir den Timavo vorschlug, sahst du mich finster an. »Nein, der Timavo nicht! Das ist ein Karstfluss. Sachen, die verschwinden, mag ich nicht.«
»Ich auch nicht. Aber warum sollte ich überhaupt verschwinden?«
»Na, vielleicht, weil ich langweilig bin«, hast du lachend geantwortet.
»Du bist es, die mich eines Tages satthaben wird.« Ich wusste genau, dass ich keinen Funken Phantasie besaß.
»Alle Männer sind
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