Mein ist dein Herz
Wochenende integrieren lässt.
»Glaubst du, dass das eine gute Idee wäre, wenn du jetzt raus gehst?«
Sie erzittert. Ob es an meiner Frage liegt oder an der Vorstellung, wie kalt es draußen ist, bleibt vorerst ein Geheimnis.
»Also ich hätte nichts dagegen, mir die Beine zu vertreten. Außerdem ist Nancy ... naja, beschäftigt eben«, gesteht sie kleinlaut. Ohne mich auch nur für einen Zentimeter von ihr wegzubewegen, folge ich ihrem soeben aufgeführten Beispiel und beäuge die andere Tischseite. Wahrlich haben beide - mein Riese von Bruder und der Zwerg von Janes Freundin - alle Hände voll zu tun.
Das Verstörende an dem Bild? Würden Sie das übliche Verhalten meiner älteren Ausführung, anders gesagt des groben Entwurfs, kennen, könnten wir jetzt ›Finde den Unterschied‹ spielen. Da Sie aber nicht im Bilde darüber sind, erkläre ich Ihnen hiermit, dass seine wilde Gestikulation, das Strahlen seiner Augen und nicht zuletzt das Dreihundert-Watt-Lächeln vollkommen aus dem Muster fallen. Sämtliche ihm eigens auferlegte Regeln hat er soeben allein dadurch gebrochen, weil er hemmungslos flirtet. Ohne Scheiß! Der Riese kann das und wie ...
Apropos Flirten, da gibt es mit einem unsagbar himmlischen Duft angereicherte Luftteilchen, die meine Sinne anmachen. Nur gut, dass wenigstens sie mich daran erinnern, dass ich mich mit Janes Anziehungskraft und ihrem Wunsch, sich die Beine zu vertreten auseinandersetze.
»Wie wäre es, wenn wir nachher die Tanzfläche stürmen?«
Eine perfekt geschwungene Augenbraue schießt in die Höhe und dieser Ausdruck wird dicht gefolgt von einer verblüfften Grimasse.
»Was?«, frage ich. »Denkst du, ich fahre in die Disco, um dranzusitzen und blöd zu gucken?«
»Nicht ausschließlich«, antwortet sie. »Weiber aufreißen gehört vermutlich auch dazu!«
Richtig!
»Tja, falsch gedacht! Es ist keine Regel, sondern eher eine Ausnahme, wenn ich eine Frau kennenlerne.«
»Ich tu einfach so, als ob ich dir glauben würde!«, erwidert sie zwinkernd mit geschürzten Lippen. Am liebsten würde ich sie jetzt am Kinn packen und diese freche Anspannung mittels eines ebenso neckischen Kusses auflösen. Diese Aktion kann aber genauso gut nach hinten losgehen. Ich zwinge mich also dazu, mich von ihr loszureißen und Schnurstraks den Weg nach draußen zu suchen.
Die kalte, frische Luft - zumindest im Ansatz frisch, wenn man den Zigarettenqualm außen vorlässt - und der Schnee, den ich zwischen meinen Handflächen verreibe, ernüchtern mich.
Sobald der Kopf einigermaßen klar ist und ich ins Zittern gerate, gehe ich zurück. Kaum im Inneren angekommen, stelle ich mit Bestürzung fest, dass der DJ einen langsamen Song aufgelegt hat, und schimpfe ihn in Gedanken für sein sauschlechtes Timing aus.
Meinen Bruder entdecke ich auf der Tanzfläche, Nancy in seiner besitzergreifenden Umarmung und ahne schon die erste Welle meiner Wut, auf niemand geringeren, als mich selbst, während mein Blick die anderen Pärchen abscannt. Suchobjekt: Jane.
Als mir ein passender Blondschopf in der Menge auffällt und ich diesen ansteuere, spüre ich plötzlich einen geringen Widerstand auf Hüfthöhe und schnappe aus Reflex zu.
Sie können sich bestimmt denken, wie verwundert ich darüber bin, einen bestiefelten Fuß in den Händen zu halten.
Mein Blick gleitet entlang von ihm, streift einen schwarzen Rock, verharrt auf dem flachen Bauch, ehe ich das pinke Top und das weiße Jackett wiedererkenne und erneut rein intuitiv handele.
Obwohl ihr der weiße Jeansstoff bis über die Hüfte reicht, greife ich darunter, ergötze mich an ihrem Aufschrei, weil meine Hände eiskalt sind, und ziehe Jane in meine Arme.
Das Nachfolgende ist leicht: Ich lasse mich einfach von der Musik treiben, fühle mich zeitgleich in den Körper meiner Tanzpartnerin hinein und ... Oh! Heilige Scheiße, diese Frau ist der Hammer.
Ihre Haut fühlt sich wie Samt unter meinen Fingern an, die Bewegung ihrer schmalen Hüfte geht vollkommen im Einklang mit der meinen, während die Hitze von ihrem Bauch und Brust auf mich übergeht.
Ohne es zu beabsichtigen, presse ich sie noch fester an mich, drifte dank ihrem süßen Duft gänzlich in eine Art Paralleluniversum ab und erlebe dort einen Rausch der besonderen Art.
Die Schwermut des neuen Liedes, das nun einen härteren Beat in die Menge schleudert, verleiht dem Ganzen etwas Surreales, weil diese Frau selbst dann im Rhythmus bleibt, als ich dem Takt von Morandis - Angels
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