Mein ist dein Herz
Nancy!«, lautet die knappe Antwort und ich erwische mich dabei, ein Gebet darauf auszusprechen, dass jenes verstummte Wesen wieder spricht.
»Soll ich sie herholen?«, will ich wissen und verfange mich mit meinen Sinnen in ihrem Duft, als sie nickt. So eine Mischung aus aufregend und rein, tragend und süß habe ich nie zuvor vernommen, dementsprechend widerwillig entferne ich mich auch von ihr, um besagte Nancy zu holen.
Diese ist bei weitem weniger geschockt, obwohl ihr Blick mir das Gefühl vermittelt, dass ich kein Mensch, sondern ein Geist oder zumindest ein Zombie bin.
Ja, wirklich! Ich habe sogar für einen Augenblick das Gefühl, dass sie mich am liebsten im Gesicht berühren würde, um sicherzugehen, dass ich keine Maske trage.
Vielleicht ein Zeichen dafür, dass etwas im Laufe des langen Tages ›verrutscht‹ ist?
Nur um sich Gewissheit zu verschaffen, prüfe ich den Sitz meiner ›Visage‹ mittels eines unauffälligen Abtastens, bevor ich der jungen, ebenfalls sehr hübschen Dame die Hand reiche und mich vorstelle.
»Sean.«
»Nancy!«
»Sehr erfreut!«
»Wirklich?«, fragt sie etwas zu schnell und prustet los.
»Tatsache ...«, gebe ich lächelnd zu, selbst verwundert darüber, dass es der Wahrheit entspricht. Meine unsanft verscheuchte Begleitung war nicht annähernd so interessant, wie die süße, kleine, welche übrigens immer noch so aussieht, als könnte sie ein paar Minuten an der frischen Luft und einen Drink vertragen. Wenn ich jetzt also in Erfahrung bringe, wie die besagte heißt, kann der Abend zum zweiten Mal losgehen.
»Was genau ist denn gerade passiert?«, will ich von Nancy wissen.
»Jane hat dich mit ihrem missratenen Freund verwechselt und wollte dir, also ihm gerade die Tour vermasseln, glaube ich.«
»Ach! Und die Prügel hat das arme Mädel von vorhin wofür genau bekommen, wenn sie doch eigentlich auf mich wütend war?«
»Würdest du ›deine‹ Freundin etwas besser kennen, wäre diese Frage überflüssig.«
»Ein Impuls?«, rate ich.
»Hey! Du bist ja doch kein hoffnungsloser Fall!«, erkennt sie lächelnd und tätschelt meine Schulter.
»Kommst du mit zu uns an den Tisch?«, schlage ich Nancy vor.
»Ich muss! Jane ist dort ...«
»Jane also?«
»Keine Angst, die ›Eyre‹ hat sie noch nie gegeben und die Rolle der ›Tarzan‹ Jane ist nichts für sie. Sie hasst nämlich Männer in Unterhosen, also wäre ein Lendenschutz ein No-Go für sie. In ihr Bett kommen nur die Shortstragenden rein!«
»Notiert!«, sage ich mit einem Zwinkern.
»Wenn du schon dabei bist, betrunkene und untreue Männer werden von ihr genauso behandelt, wie zur Quarantäne verurteilte Kranke. Da heißt es: Betten auseinander und eine Kakteensammlung dazwischen.«
Süß und humorvoll die Kleine! Also wenn das keine gute Mischung ist, um diesen Zwerg zu mögen, dann weiß ich auch nicht.
»Kriegen wir sie heute noch dazu, sich in ganzen Sätzen zu äußern?«, frage ich und deute mit dem Kopf in Janes Richtung.
»Hol ihr ein paar Zimt-Tequilas und steck dem DJ, dass er was Rockiges spielen soll und wir werden sie sogar noch tanzen sehen.«
Dieses reglose Wesen in Bewegung? Mit einem zuckersüßen Lächeln auf ihrem Gesicht? Gern doch! Wo geht´s zur Bar und wo zum DJ?
Kapitel 3
W as habe ich getan? , frage ich mich unentwegt weiter, obwohl es total unnötig ist. Allen am Tisch scheint der Vorfall herzlich egal zu sein. Warum halte ich mich also immer noch damit auf? Ach ja! Weil ich ein Mädchen für nichts und wieder nichts angegriffen habe.
Ich meine ... Hallo, ja? Wie konnte ich das tun? Niemals hätte ich für möglich gehalten, dass ich so ein unmögliches Benehmen an den Tag legen werde. Und wer hat mich dazu getrieben? Tyler natürlich! Er und seine verdammte Freiheitsliebe. Etwas, was mich bereits seit zwei Jahren bis aufs Blut reizt.
Schluss jetzt! Vergiss ihn! , befehle ich mir selbst und kehre tatsächlich auf der Stelle ins Hier und Jetzt zurück.
Schadensbegrenzung! Das ist etwas, was ich unbedingt betreiben sollte.
Abgesehen davon, dass ich mich total lächerlich gemacht habe, kostete es den armen Doppelgänger meines Arschloches von Ex Freund - soeben habe ich beschlossen ihm den Ex zu titulieren - ein Date. Statt mir eine Szene deswegen zu machen, hat sich der um Getränke bemüht und unterhält sich nun angeregt mit Nancy. Wobei mir selbstverständlich auffällt, dass es weder bei ihm noch bei meiner Freundin über eine einfache Sympathie hinausgeht.
Mir
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