Mein ist dein Herz
fällt zudem auf, dass es einer Beleidigung nahekommt, wenn ich ihn mit Tyler vergleiche. Der für mich unverändert namenlose Mann ist weitaus interessanter und bestimmt auch um ein ganzes Stück jünger.
Die ersten Knöpfe seines schwarzen Hemdes sind aufgeknüpft und legen den Blick auf einen sehnigen Brustansatz frei, an den sich eine silberne Panzerkette schmiegt. Seine Ärmel sind locker aufgerollt, dunkle Lederbänder schmiegen sich um sein rechtes Handgelenk und lenken meine Aufmerksamkeit auf seine Finger, die derzeit ganz sanft irgendwelche Muster auf die Tischfläche zeichnen. Eine äußerst zärtliche Geste.
Plötzlich tippt er mit seinem Zeigefinger auf den Tisch, was meinen Blick sofort nach oben schellen lässt. Und das, was ich zu sehen bekomme, bringt mich um meine regelmäßige Atmung.
Obwohl er mit Nancy spricht, könnte ich schwören, dass sowohl seine Gedanken, wie auch die Sinne nur mit einer beschäftigt sind: Mit mir!
Nicht die kalte Tischplatte fühlt er unter seinen Fingerkuppen, sondern den Teil meines Körpers, welchen sein glühender Blick in Augenschein nimmt. Und dies ist eine höchst ... ungewöhnliche Erfahrung. Irritierend und erregend zugleich. Ja sogar aufregend, weil nie zu vor erlebt.
Wie auf ein Stichwort, löst er sich von Nancy, nickt ihr zuvor zu und rutscht an meine Seite.
Je näher er kommt, desto hibbeliger werde ich.
Himmelherrgott, nun stell dich nicht so an! Ist doch nur ein Mann!
NUR? Dies ist der Sexappeal in persona, so wahr der Himmel blau und der Herrgott unsichtbar ist!
»Wie geht es dir?«, fragt er und mir fällt ein weiteres Mal auf, dass er eine wahnsinnig sexy Stimme hat. Sie ist rau aber auch gleichzeitig geschmeidig und dringt scheinbar barrierelos in die tiefsten Tiefen von mir vor.
Hallo! Erde an Jane! Der Mann, den du um eine mögliche Beziehung gebracht hast, stellt dir gerade eine Frage! , ermahnt mich mein Unterbewusstsein. Beizeiten ein sehr lästiges Phänomen, aber in Situationen wie diesen ein loyaler Freund.
»Das müssten wir eher deine Freundin fragen ...«, bemerke ich trocken, weil ich derzeit krampfhaft den Umstand ignoriere, wie gefährlich nah ich seine Wärme vernehme. Gefährlich für ihn, wohlgemerkt, nicht für mich.
»Mach ich doch! Du hast vor wenigen Minuten lautstark deinen Platz verteidigt und ich frage mich natürlich, wie sich meine Freundin so fühlt, nach all der Aufregung!«
»Du schaffst mich ...«, ist die nächste knappe Erwiderung, welche aus meinem Mund purzelt.
»Ich dich?«, fragt er und hebt eine Augenbraue, während seine Finger wie beiläufig meine Schulter streifen.
»Ich weiß ja nicht mal, wie du heißt ...«
»Sean«, haucht er in mein Ohr.
Man ... da rieselt der wollige Schauder dahin und lässt mein Herz wie einen dreihundert-PS-Motor aufschnurren.
»Das vorhin, tut mir echt leid!«
»Mir nicht ... Allein schon Nancys Bekanntschaft wegen ... Das war es mir wert!«, bemerkt er lächelnd.
»Sie ist toll.«
»Ist sie! Und warte, bis mein Bruder kommt ... und genau das feststellt. Im Grunde hast du mich davor bewahrt, eine Strafpredigt von ihm zu bekommen.«
»Er mag es wohl nicht, wenn du den Casanova raushängen lässt?«, frage ich geradeheraus und traue mir endlich zu, direkt in sein Gesicht zu schauen.
So viel Freimut meinerseits verblüfft ihn, jedoch währt dieser Zustand nicht für lange. Seine Augen, die zwar hell - grau würde ich raten - aber gefühlsmäßig warm sind, glänzen schalkhaft auf, die geschwungenen Lippen, von denen die obere um ein kaum sichtbares Bisschen voller ist als die untere, verziehen sich zu einem zufriedenen Lächeln. Nun verzichtet er sogar auf das Theater mit dem ›beinahe‹ Berühren und lässt seine Finger langsam entlang meines Schlüsselbeins gleiten.
»Ich bin kein Casanova, eher ein frauchenloser Kater.«
Hammer!
Herz schlag weiter!
Er flirtet nur!
»Bis zum Frühling dauert es noch ...«
»Ich sagte frauchenlos und nicht notgeil! Dazwischen gibt es einen gewaltigen Unterschied!«
Shit! Warum klingt alles aus seinem Mund nur so verrucht?
»Wie wäre es, wenn wir auf uns anstoßen?«, schlägt er vor und wechselt dadurch völlig übergangslos das Thema. Sogleich verschwindet die Nähe, welche ich erst jetzt als das erkenne, was sie war: nämlich angenehm.
Jenes vollgestellte Tablett, das er vorher durchaus geschickt auf dem Tisch abgestellt hat, wird nun herangezogen, Sean kommt aber nicht dazu, die Gläser zu verteilen. Eine ältere,
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