Mein ist die Stunde der Nacht
dem offenen Kofferraum, aus dem Wasser tropfte, auf den Film zu bannen. Es war auch ein guter Schnappschuss von dem Leichenwagen dabei, der mit blitzenden Signallichtern davonfuhr.
Die Bilder, die er am Morgen vom Haus in der Mountain Road gemacht hatte, hingen immer noch an der Leine. Sein Blick fiel auf die letzte Aufnahme, das etwas unscharf geratene Bild von der Vorderseite des Hauses. Als er es genauer untersuchte, weiteten sich plötzlich seine Augen in Erstaunen.
Er holte die Lupe und untersuchte das Bild noch einmal, dann riss er es von der Leine und rannte aus der Dunkelkammer. Jill Ferris war noch da, sie korrigierte Klassenarbeiten. Er ließ das Bild vor ihr auf den Tisch fallen und reichte ihr die Lupe.
»Jake!«, protestierte sie.
»Es ist wichtig, wirklich wichtig. Schauen Sie sich dieses Bild an und sagen Sie mir, ob etwas verändert oder nicht an seinem Platz erscheint. Bitte, Miss Ferris!«
»Jake, du machst einen wirklich völlig verrückt«, sagte sie mit einem Seufzen, dann nahm sie die Lupe entgegen und schaute sich das Bild an. »Du meinst wahrscheinlich die
Jalousie an dem einen Fenster im ersten Stock, die ein bisschen schief hängt. Ist es das?«
»Genau!«, rief Jake triumphierend. »Gestern hing sie nicht schief. Es ist mir egal, wie leer die Küche aussieht – in diesem Haus befindet sich jemand!«
91
SAM WAR ZUM GLEN-RIDGE HOUSE gefahren und nicht ins Büro nach Goshen, weil er mittlerweile ziemlich sicher war, dass einer der Ehrengäste, Jack Emerson oder Joel Nieman hinter den Drohbriefen an Jean steckte. Alle diese Männer hatten in dem Gebäude gearbeitet, in dem sich die Praxis von Dr. Connors befunden hatte. Einer von ihnen hatte irgendwann am Wochenende darauf angespielt, dass Jean dort Patientin gewesen war. Wer, das hatte er bislang allerdings noch nicht herausfinden können.
Mark Fleischman hatte erklärt, dass einer der anderen erwähnt habe, Jean sei Patientin bei Dr. Connors gewesen. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass er gelogen hat, dachte Sam. Stewart hat abgestritten, eine solche Bemerkung gehört zu haben. Auch er könnte gelogen haben. Aber im Glen-Ridge konnte er zumindest Fleischman und Gordon Amory im Auge behalten, die beide noch ihr Zimmer dort hatten. Bald würden die Reporter die Neuigkeit aufgreifen, dass Jean verschwunden war, es würde in den Nachrichten kommen, und er war sicher, dass dies unweigerlich auch Jack Emerson anlocken würde.
Er hatte bereits Rich Stevens gebeten, zu veranlassen, dass alle diese Männer überwacht würden. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie damit anfingen.
Um zehn nach zwölf bekam er den ersehnten Anruf der
Leute von der Technik. »Sam, wir haben Jean Sheridans Handy geortet.«
»Wo ist es?«
»In einem fahrenden Auto.«
»Könnt ihr sagen, wo sich das Auto befindet?«
»In der Nähe von Storm King, es fährt in Richtung Cornwall.«
»Er kommt von West Point«, sagte Sam. »Er hat das Mädchen. Passt auf, dass ihr ihn nicht verliert.«
»Machen wir.«
92
»BITTE FAHREN SIE WIEDER ZURÜCK«, sagte Meredith. »Ich darf das Gelände nicht verlassen. Als Sie mich gebeten haben, mich ins Auto zu setzen, dachte ich, Sie wollten nur einen Augenblick mit mir sprechen. Es ist nicht so schlimm, dass Sie den Brief über meine Mutter in der Tasche Ihres anderen Jacketts vergessen haben, ich werde darauf warten. Bitte, ich muss jetzt zurück, Mr …«
»Du wolltest gerade meinen Namen aussprechen, Meredith. Ich möchte nicht, dass du das tust. Du darfst mich nur ›die Eule‹ nennen.«
Sie starrte ihn an. Plötzlich kroch die nackte Angst in ihren Körper. »Ich verstehe nicht … Bitte fahren Sie zurück.« Meredith umklammerte den Griff der Beifahrertür. Wenn er an einer Ampel hält, springe ich raus, dachte sie. Er ist so anders. Er sieht sogar anders aus. Nein, nicht nur anders – verrückt! Fragen schossen ihr durch den Kopf, unbeantwortbare Fragen. Warum hat Dad mir das Versprechen abgenommen, das Gelände nicht zu verlassen? Warum hat er mich nach der Haarbürste gefragt? Was hat das alles mit meiner leiblichen Mutter zu tun?
Der Wagen raste auf der Route 218 in Richtung Norden. Er fährt viel schneller, als erlaubt ist, dachte Meredith. Hoffentlich kommen wir an einer Polizeistreife vorbei. Hoffentlich sieht uns ein Streifenwagen. Sie überlegte, ob sie in
das Lenkrad greifen sollte, aber es gab ziemlich viel Gegenverkehr; ein Unbeteiligter könnte dabei getötet werden. »Wohin bringen Sie
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