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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Sauer
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sind nicht überall so nett! — entkorkt mir sogar die Flasche. Später werde ich einen Teil des Weins in eine Wasserflasche füllen, um ihn mit mir tragen zu können.
     

Von Castrojeriz nach Boadilla del Camino
     
     
    Tritt heraus in das Licht der Dinge.
    Lass die Natur dein Lehrer sein.
    William Wordsworth
     
    U m halb sieben Uhr morgens werden wir mit gregorianischen Gesängen geweckt. Diesen sphärischen Klängen wohnt ein solcher Zauber inne, dass ich jedes Mal, wenn ich daran zurückdenke, sofort wieder in diese Herberge nach Castrojeriz möchte, nur um sie zu hören.
    Im Ort selbst geht es erst einmal steil bergab und dann durch eine grüne Ebene mit vielen Wasserläufen und einem Kanal mit Schleuse. Die Lerchen erheben sich hoch hinauf, auch zahllose andere Vögel begrüßen singend den Morgen. Schon jetzt ist der Himmel wieder strahlend blau.
    Jetzt, wo ich diesen steilen Aufstieg ständig vor Augen habe, denke ich zum ersten Mal, ich sollte umkehren und es lieber nicht versuchen. Mit jedem Schritt fällt das Gehen schwerer. Mir fehlt die Luft, ich muss mich nach vorne beugen, um wieder durchatmen zu können. Buen Camino, sagen die Vorübergehenden, Buen Camino, Buen Camino, und schon überholt mich der Nächste. In allen Sprachen werde ich gefragt, ob ich Hilfe brauche. Non, merci, antworte ich, no, thank you, bien. So viel Aufmerksamkeit hatte ich nicht erwartet. Auch wenn mir diese Frage schon beinahe peinlich ist, bin ich doch sehr berührt und dankbar. Letztendlich aber gehe ich allein und aufrecht meinen Weg und quäle mich aus eigener Kraft diesen Berg hinauf.
    Der Aufstieg hat sich gelohnt, denn vor mir liegt ein breites, grünes Tal, von kleinen Bächen durchzogen. Ganz weit hinten am Horizont erheben sich hohe Berge, die mit Schnee bedeckt sind. Lange sitze ich auf einem Stein und betrachte dieses wunderschöne Fleckchen Erde. Was nützt mir die Mühe, denke ich, wenn ich mir nicht auch die Zeit nehme, innezuhalten.
    Der Abstieg ist nicht ganz so mühsam. Über mir jubilieren die Lerchen, und kilometerweit zieht sich der Weg mitten durch das grüne Tal.
    Ich gehe und denke an nichts. Manchmal erinnere ich mich auch an die Ereignisse meines Lebens. Und da geschieht etwas ganz Wunderbares: Ich kann den Schmerz loslassen. Es war ja nicht alles tragisch, ich hatte auch sehr, sehr viel Freude und Glück in meinem Leben. Ich bin immer geliebt worden. Das ist wirklich ein großes Glück! Und ich gehe und denke an nichts weiter als an diesen Weg, der vor mir liegt.
    Unterwegs treffe ich Ulrike, die auf einer kleinen Anhöhe sitzt und mich schon von Weitem hat kommen sehen. Du brauchst aber lange, ich sitze hier schon eine Stunde. Wir gehen zusammen. In der Kirche San Nicolás, die jetzt eine besonders schöne Herberge ist, würde ich gern bleiben. Aber das wäre zu früh, wir sind erst auf der Hälfte des Weges. Ich fotografiere eine kleine Skulptur, die wohl den von Kindern umringten heiligen Nikolaus darstellt.
    Auf einer altehrwürdigen Brücke überqueren wir wieder einen Fluss und erreichen die Provincia de Palencia. Bei dem Rastplatz und dem großen Grenzstein - der natürlich, wie könnte es anders sein, mit Jakobsmuscheln verziert ist - fotografieren wir uns gegenseitig.
    In Boadilla del Camino ist Schluss für heute. Die private Herberge, sehr liebevoll hergerichtet, lässt uns die Strapazen des Tages vergessen. Hier ist alles, was das Pilgerherz begehrt. In den großen Duschräumen gibt es sogar Schüsseln für die Wäsche. Inmitten einer Wiese stehen auf großen Felssteinen zwei eiserne Peregrinos. Einer sieht, sich auf seinen Pilgerstock stützend, in die Ferne, der zweite sitzt auf einem Stein und beugt sich erschöpft über seinen wunden Fuß. Den Schuh hat er bereits ausgezogen. Natürlich fotografiere ich sie. Eine Postkarte mit dem gleichen Motiv kann ich auch kaufen, die schicke ich Peter.
    Idylle mit Hindernissen: Der Storch steht auf dem Kirchturm, die Vögel zwitschern, aber die Telefonzelle im Ort ist defekt. Eine auffallende Säule mitten im Ort erweist sich als Pranger. Der kleine Lebensmittelladen ist geschlossen, und alles Warten nützt nichts, die Tür öffnet sich nicht. Als mir ein paar Frauen mit Brot in der Hand entgegenkommen, frage ich sie und gehe, so schnell ich kann, in die gezeigte Richtung. Das Brot wird tatsächlich aus einem Pkw heraus verkauft. Gerade wollte der Wagen fortfahren, als er mich noch im Rückspiegel entdeckt und wieder anhält. Habe ich ein

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