Mein Jakobsweg
Schätze mauerten sie dann ein oder vergruben sie in Höhlen. Irgendwo soll dieser sagenumwobene Schatz verborgen sein. Es gibt Menschen, die noch immer danach suchen. Wer weiß, vielleicht wird er schon in allernächster Zukunft gefunden?
Wie dem auch sei, von diesem Kloster hier ist jedenfalls noch die Kirche Santa María la Blanca erhalten. Einmalig ist die Fassade unter einer großen Vorhalle, von wo in übereinander angeordneten Halbkreisen sehr gut erhaltene Skulpturen auf mich herabsehen. Der Stein ist wirklich weiß und macht dem Namen la Blanca alle Ehre. Ich beginne, die Figuren zu zählen. Bei 100 gebe ich auf; es sind mehr, viel mehr.
Inzwischen regnet es stärker. Unter einer Überdachung treffe ich die beiden Hotel-Pilgerinnen und setze mich zu ihnen. Auch ihnen schmerzen die Füße. Bis Carrión de los Condes sind es noch fünf Kilometer. Weiter auf diesem steinigen Weg. Die beiden wollen noch etwas ruhen und dann wieder gehen. Aber ich kann nicht mehr und weiß nicht, wie ich weiterkommen soll. Da sagt eine andere Pilgerin, die sich noch zu uns gesetzt hat: Ich gehe auch nicht mehr weiter. Die Herberge hier sei aber belegt, meint sie, und wir könnten uns doch ein Taxi nehmen. Ich willige freudig ein. So lerne ich Britta kennen, sie ist aus Kiel. Am besten, wir gehen in ein Gasthaus, klärt Britta mich auf. Sie müsse sowieso jetzt erst mal einen Kaffee trinken, derweil könne der Wirt uns das Taxi bestellen.
In Carrión de los Condes ist ein Volksfest und eine Landwirtschaftsmesse. Die ganze Bevölkerung scheint auf den Beinen. Aus allen Richtungen schallt laute Musik. Ich finde mich in dieser Unruhe überhaupt nicht zurecht und fühle mich, als käme ich von einem anderen Stern. Vergeblich suchen wir die gelben Pfeile, doch freundliche Spanier weisen uns den Weg.
Buen Camino, begrüßt uns der Pfarrer. Er empfängt jeden Pilger persönlich, trägt uns in sein Buch ein und stempelt die Pilgerpässe. In einem riesigen Schlafsaal finden wir zwei Betten, oben nebeneinander. Überall herrscht Gedränge, so viele Pilger auf einem Fleck habe ich noch nicht erlebt. Ich verzichte auf das Duschen. Dass ich meine Socken schon gewaschen habe, bereue ich gleich, denn die Wäsche wird in der ohnehin schon kleinen Küche getrocknet. Manche kochen sich Essen und ich mir einen Tee. Das erste Warme an diesem Tag! Gegessen habe ich außer dem Weißbrot nichts.
Immer noch kommen Pilger. Alle sind klatschnass, denn es gießt jetzt in Strömen. Das Wasser fließt in Bächen die Straße herunter. In der Küche sind inzwischen alle Stühle mit nassen Jacken, Pullovern und Hosen belegt, entsprechend viele nasse Stiefel stehen herum. Ein kleiner elektrischer Ofen, den der Pfarrer schnell reingestellt hat, wird dankbar angenommen. Die Neuankömmlinge gruppieren die Stühle mit der nassen Kleidung um den Ofen, und jeder will sich wenigstens einmal an dem heißen Luftzug wärmen.
Durch den Regen ist es in der Herberge so kalt und feucht geworden, dass ich verzweifelt überlege, wie ich meinen Schlafsack warm kriegen könnte. Gib doch einfach heißes Wasser in deine Wasserflaschen und nimm sie als Wärmflasche, rät mir eine junge Pilgerin. Dankbar für diesen guten Rat, lege ich eine heiße Flasche zu meinen Füßen in den Schlafsack und eine in die Mitte. Später wechsle ich das Wasser noch mal aus und bin warm genug. Einige Pilger sind sehr erkältet. Ich wünsche mir inständig, von diesem Virus heute Nacht verschont zu bleiben. In einem Bett gleich neben mir hustet eine junge Frau sehr stark. Sie hat bestimmt auch Fieber. Flüsternd unterhält sie sich mit ihrem Begleiter. Es sind Franzosen. Aber vielleicht können sie auch Englisch, sagt Britta und spricht mit ihnen. Medikamente haben sie keine. Nicht mal Hustensaft, obwohl die Frau bestimmt schon länger hustet. Britta will ihr Kamillentee kochen, aber sie haben keine Tasse. Also gebe ich ihnen meine. Morgen früh werde ich sie ganz gründlich auswaschen. Dann kommt die Frage nach einem Fieberthermometer. Das siehst du doch so schon, sage ich, die muss mindestens 39 haben, und meines kann ich nicht abgeben. Aber die Kranke tut mir leid. Ich frage mich, ob sie morgen weitergehen kann. So breche ich nun doch meinen Schwur, keine Tabletten von mir abzugeben, und gebe ihr drei Benuron zum Absenken des Fiebers. Zwei soll sie gleich nehmen und die dritte ein paar Stunden später. Damit sie wenigstens einigermaßen schlafen kann, bekommt sie auch noch eine halbe
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