Mein Jakobsweg
Schlaftablette. Mich jedoch bestätigt dieses Erlebnis in der Meinung, zu der ich schon bei meiner Reiseplanung gelangt bin: Jeder sollte auf einem solchen Weg ein Mindestmaß an Tabletten bei sich haben. Man sieht ja, was sonst passieren kann.
Etwa gegen drei Uhr in der Nacht werde ich wach und frage mich, ob jemand den kleinen elektrischen Heizofen abgestellt hat. Meine Sorge, er könnte immer noch an sein oder vielleicht sogar schon brennen, zwingt mich nach unten in die Küche. Und tatsächlich, er läuft noch. Welch ein Leichtsinn! Erbost über so viel Nachlässigkeit ziehe ich den Stecker raus.
Von Carrión de los Condes nach Sahagún
Frohe Herzen öffnen sich leicht und verstehen einander.
Adolph Kolping
M eine Fußsohlen sind wohl gestern wirklich zu sehr gequält worden: Sie schmerzen immer noch. Zudem weht ein kalter Wind, es regnet stark. Britta wollte heute sowieso eine längere Strecke mit dem Bus fahren. So fahren wir nun beide bis Sahagún.
Vor einem Gasthaus ist die Haltestelle. Die Fahrkarten verkauft der Wirt, doch der Bus fährt erst gegen Mittag. Wir frühstücken und lassen die Rucksäcke bis zu unserer Abfahrt in dem Gasthaus stehen. Ohne den Rummel vom Vortag zeigt sich Carrión de los Condes in seiner ganzen Schönheit. Wir gehen durch Gassen mit gepflegten Häusern und über den Fluss Cea zu dem Kloster Zoilo. Der Bus fährt über eine Ebene, die in ihrer gesamten Fläche mehr als 800 Meter über dem Meeresspiegel liegt, jedoch ohne eine nennenswerte Erhebung. Dürres getrocknetes Gestrüpp oder Gräser erstrecken sich in dieser schier endlos wirkenden Weite, nur unterbrochen hin und wieder von dem Gold eines Getreidefeldes oder gepflügter Erde. Viele Viehpfade, die canadas, ziehen sich naturbelassen wie breite Bänder durch die Ländereien Spaniens. Nicht selten bilden sie noch heute die kürzeste Verbindung zwischen zwei Orten. Von alters her wurde das Vieh auf ihnen von Nord nach Süd oder von Ost nach West getrieben und umgekehrt. Eine der wichtigsten dieser breiten, staubigen, noch heute auch von uns Pilgern benutzen Wegstrecken verläuft gerade hier: die Canada Leónesa Oriental. Von Andalusien kommt sie herauf und führt bis hoch in den Norden dieses Landes.
Britta meint, wir sollten uns zusammen ein Zimmer in einer Pension nehmen. Das mache sie öfters, und von dieser schrecklichen Herberge müsse sie sich sowieso erst mal erholen. Aber ich lehne ab, denn schließlich würde ich pilgern, und da gehörten die Herbergen nun mal dazu. Also sucht sie sich ein Zimmer, ich gehe zur Iglesia de la Trinidad. In diesem beeindruckenden historischen Gebäude werde ich heute Nacht schlafen. Ein eiserner Jacobeo mit Pilgerstab und Kalebasse steht vor der Kirchentür, als würde er seine rastenden Mitpilger bewachen.
Sahagún hat einen ganz eigenen, von den Mauren beeinflussten Baustil. Viele Kirchtürme aus rotem Backstein überragen die Stadt. Einige Kirchen werden renoviert. Andere sind schon leicht verfallen, und gerade das macht ihren Charme aus. Die Kirche San Lorenzo aus dem 13. Jahrhundert ist die größte. Leider sind die Türen geschlossen.
Bei dem großen mittelalterlichen Torbogen im Herzen von Sahagún treffe ich einen Bus aus Geldern. Die Reisegruppe ist unterwegs nach Portugal zu einem Kirchenfest. Einige von ihnen möchten sich die Kirche San Lorenzo ansehen, und da sie nur wenig Zeit haben, zeige ich den niederrheinischen Landsleuten den kürzesten Weg.
Inzwischen ist die Zeit der Siesta vorbei, die Geschäfte sind wieder geöffnet, und ich kann etwas zu essen einkaufen. Wieder mal versuche ich, Peter zu erreichen, aber er scheint mehr im Tennisclub zu sein als zu Hause.
Für den Abend bin ich zum Essen mit Britta auf dem Marktplatz verabredet. Ich bestelle eine Tortilla mit Salat und bin begeistert von meinem bescheidenen, aber sehr guten Essen.
In der Herberge geht es noch ganz schön munter zu. Ein junges Paar kocht sogar noch Nudeln. Bei Hubert und Inge ist Platz am Tisch. Sie schenken mir ihren letzten Wein ein.
Ich habe noch eine Flasche und frage, ob ich sie holen soll.
Was für eine Frage, nun hol sie schon!
In unserer gemütlichen Runde vergessen wir die Zeit. Es ist schon nach zwölf, als wir endlich in unsere Schlafsäcke kriechen. Losgelöst von jedem Alltag, bietet uns diese Herberge eine ganz besondere Atmosphäre. Man sollte sie in seinen Pilgerweg unbedingt mit einplanen.
Von Sahagún nach El Burgo Ranero
Kaffee im
Weitere Kostenlose Bücher