Mein Katalonien
eine Stunde lang. Aber ich versichere, selbst wenn es nicht richtig kalt war, daß es mir so erschien. Manchmal zerrten mir pfeif ende Winde die Mütze vom Kopf und wirbelte mein Haar nach allen Seiten.
Manchmal gab es Nebel, der sich wie eine Flüssigkeit in den Schützengraben ergoß und mich bis auf die Knochen zu durchdringen schien. Es regnete häufig, und selbst eine Viertelstunde Regen genügte, die Lage unerträglich zu machen. Die dünne Erdhaut über dem Kalkgestein verwandelte sich rasch in eine schlüpfrige Schmiere, und da man sich immer am Abhang bewegte, war es unmöglich, sich fest auf den Füßen zu halten. Ich bin oft während dunkler Nächte auf eine Entfernung von zwanzig Metern ein halb dutzendmal hingefallen. Das aber war gefährlich, denn eine Folge war, daß sich das Schloß des Gewehres durch den Schlamm verklemmte. Tagelang waren Kleider, Stiefel, Decken und Gewehr mehr oder weniger mit Schlamm überzogen. Ich hatte so viele dicke Kleidung mitgebracht, wie ich tragen konnte, aber viele Soldaten hatten schrecklich wenig anzuziehen. Es gab nur zwölf Wachtmäntel für die ganze Garnison von etwa hundert Mann. Sie mußten von Wachtposten zu Wachtposten weitergegeben werden, und die meisten Soldaten hatten nur eine Decke. Während einer eisigen Nacht schrieb ich eine Liste aller der Kleider, die ich gerade trug, in mein Tagebuch. Sie ist interessant, da sie zeigt, welche Menge an Kleidung der menschliche Körper tragen kann. Ich war beladen mit einer dicken Weste und einer Hose, einem Flanellhemd, zwei Pullovern, einer Wolljacke, einer Jacke aus Schweinsleder, Kordreithosen, Wickelgamaschen, dicken Socken, Stiefeln, einem festen Trenchcoat, einer wollenen Halsbinde, gefütterten Handschuhen und einer wollenen Kappe. Trotzdem zitterte ich wie Espenlaub. Aber ich gebe zu, daß ich ungewöhnlich empfindlich gegen Kälte bin. Brennholz war das einzige, worauf es wirklich ankam. Die Sache mit dem Brennholz war die, daß es praktisch kein Brennholz gab. Unser elender Berg hatte selbst in seiner besten Zeit nicht viel Vegetation, und monatelang waren frierende Milizsoldaten auf ihm herumgestreift, mit dem Ergebnis, daß jedes Stück Holz, dicker als ein Finger, schon lange verbrannt worden war. Wenn wir nicht gerade aßen, schliefen, Wache schoben oder Arbeitsdienst machten, waren wir im Tal hinter der Stellung, um Brennmaterial zu stibitzen. Alle meine Erinnerungen an diese Zeit sind Erinnerungen daran, wie wir auf dem brüchigen Kalkgestein, das die Schuhe in Stücke schnitt, an fast senkrechten Abhängen hinauf und hinab kletterten und uns begierig auf jeden winzigen Holzzweig stürzten. Wenn drei Leute so zwei Stunden suchten, konnten sie genug Brennmaterial sammeln, um ein Feuer im Unterstand etwa eine Stunde lang in Brand zu halten. Der Eifer unserer Brennholzsuche verwandelte uns alle in Botaniker. Wir klassifizierten jede Pfanze, die auf dem Berg wuchs, nach ihren Brennqualitäten: die verschiedenen Heidekräuter und Kresse waren gut, um ein Feuer in Gang zu setzen, aber sie verbrannten in wenigen Minuten; der wilde Rosmarin- und der winzige Stechginsterbusch brannten nur dann, wenn das Feuer schon richtig entflammt war; der verkrüppelte Eichbaum, kleiner als ein Stachelbeerstrauch, war praktisch unbrennbar. Es gab eine Art vertrockneten Rieds, das gut war, um ein Feuer zu entflammen, aber es wuchs nur auf der Hügelkuppe zur Linken unserer Stellung, und man konnte nur unter Beschuß dorthin gehen, um es zu sammeln. Wenn die faschistischen Maschinengewehrschützen jemanden sahen, gaben sie ihm ganz allein eine Runde Beschuß. Normalerweise zielten sie hoch, und die Kugeln zwitscherten wie Vögel über unsere Köpfe. Aber manchmal prasselten und splitterten sie unangenehm nah im Kalkgestein, worauf man sich auf sein Gesicht warf. Doch dann sammelte jeder sein Ried weiter, denn im Vergleich zum Brennholz gab es nichts mehr von Bedeutung.
Neben der Kälte schienen andere Unannehmlichkeiten geringfügig zu sein. Natürlich waren wir alle ständig schmutzig. Unser Wasser kam, wie unser Essen, auf dem Rücken von Maultieren von Alcubierre, und der Anteil jedes einzelnen betrug etwas mehr als ein Liter pro Tag. Es war ein scheußliches Wasser, kaum durchsichtiger als Milch. Theoretisch war es nur zum Trinken, aber ich stahl mir immer ein Kochgeschirr voll, um mich morgens zu waschen. An einem Tag wusch ich mich, und am nächsten rasierte ich mich; für beides gab es nie genug Wasser. Die Stellung
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