Mein Katalonien
stank abscheulich, und außerhalb der kleinen Umfriedung der Befestigung lag überall Kot. Einige Milizsoldaten verrichteten ihre Notdurft gewöhnlich im Schützengraben, eine ekelhafte Sache, wenn man während der Dunkelheit herumlaufen mußte. Aber der Schmutz plagte mich nie. Schmutz ist etwas, worüber sich die Leute zu sehr aufregen. Es ist erstaunlich, wie sehr man sich daran gewöhnt, ohne ein Taschentuch auszukommen und aus dem gleichen Kochgeschirr zu essen, in dem man sich auch wäscht. Nach ein oder zwei Tagen war es nicht einmal mehr schwierig, in den Kleidern zu schlafen. Es war natürlich unmöglich, während der Nacht die Kleider und besonders die Stiefel auszuziehen. Man mußte bereit sein, bei einem Angriff sofort herauszuspringen. In achtzig Nächten zog ich meine Kleider dreimal aus, obwohl es mir auch manchmal gelang, sie sogar während des Tages auszuziehen. Für Läuse war es noch zu kalt, aber Ratten und Mäuse gab es im Überfluß. Es wird oft gesagt, daß man Ratten und Mäuse nicht am gleichen Ort findet, aber sie sind doch zusammen da, wenn es genug Nahrung für sie gibt.
Im übrigen ging es uns nicht so schlecht. Das Essen war recht gut, und es gab viel Wein. Zigaretten wurden noch immer mit einem Päckchen pro Tag ausgegeben. Streichhölzer gab es jeden zweiten Tag, und wir erhielten auch Kerzen. Es waren sehr dünne Kerzen, so wie auf einem Weihnachtskuchen, und die gängige Meinung war, man habe sie in den Kirchen erbeutet. Jeder Unterstand erhielt täglich eine etwa acht Zentimeter lange Kerze, sie brannte ungefähr zwanzig Minuten lang. Zu jener Zeit war es noch möglich, Kerzen zu kaufen, und ich hatte mir einige Pfund davon mitgebracht. Später machte der Mangel an Streichhölzern und Kerzen das Leben sehr schwierig. Man versteht erst, wie wichtig diese Dinge sind, wenn man sie nicht mehr hat. So bedeutet zum Beispiel die Möglichkeit, während eines Nachtalarms ein Licht anzuzünden, wenn jeder im Unterstand nach seinem Gewehr sucht und auf das Gesicht seines Nachbarn tritt, genau den Unterschied zwischen Leben und Tod. Jeder Milizsoldat besaß ein Zunderfeuerzeug und einige Meter gelben Docht. Neben dem Gewehr war das sein wichtigster Besitz. Zunderfeuerzeuge hatten den großen Vorteil, daß man sie auch im Wind anschlagen konnte, aber sie schwelten und waren unbrauchbar, ein Feuer anzuzünden. Als der Mangel an Streichhölzern am schlimmsten war, konnte man eine Flamme nur entzünden, indem man die Kugel aus einer Patrone herauszog und das Schießpulver mit einem Zunderfeuerzeug entflammte.
Wir führten ein außergewöhnliches Leben – eine außergewöhnliche Art des Krieges, wenn man es Krieg nennen konnte. Die ganze Miliz rieb sich an der Untätigkeit auf und klagte dauernd, um zu erfahren, warum man uns nicht erlaube anzugreifen. Aber es war vollständig klar, daß es noch auf lange Zeit keine Schlacht geben würde, außer wenn der Feind sie begänne. Georges Kopp war während seiner häufigen Inspektionstouren völlig offen mit uns.
»Das ist kein Krieg«, pflegte er zu sagen, »das ist eine komische Oper mit einem Tod von Zeit zu Zeit.« Tatsächlich hatte der Stillstand an der Front in Aragonien politische Ursachen, von denen ich zu jener Zeit wenig wußte. Jedoch die rein militärischen Schwierigkeiten – ganz abgesehen vom Mangel an Reserven – waren für jeden offensichtlich.
Zunächst war es die Natur des Landes. Die Frontlinien, unsere und die der Faschisten, lagen in Stellungen von ungeheurer, natürlicher Stärke, denen man sich in der Regel nur von einer Seite nähern konnte. Sind erst ein paar Schützengräben ausgehoben, können solche Stellungen von der Infanterie, außer durch eine überwältigende Überlegenheit, nicht genommen werden. In unserer eigenen und den meisten umliegenden Stellungen konnte ein Dutzend Leute mit zwei Maschinengewehren ein ganzes Bataillon abhalten. So wie wir auf der Hügelkuppe saßen, hätten wir ein ideales Ziel für die Artillerie abgeben können. Aber es gab keine Artillerie. Manchmal schaute ich über die Landschaft und sehnte mich – oh, wie leidenschaftlich – nach ein paar Batterien Artillerie. Man hätte die feindlichen Stellungen eine nach der anderen zerstören können, so leicht, wie man Nüsse mit einem Hammer zerschmettert. Aber auf unserer Seite waren einfach keine Kanonen vorhanden. Den Faschisten gelang es von Zeit zu Zeit, ein oder zwei Kanonen aus Saragossa an die Front zu bringen und sehr wenige Granaten
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