Mein Katalonien
abzuschießen, so wenige, daß sie sich nicht einmal auf die Entfernung einschießen konnten, und harmlos stürzten die Granaten in die leeren Schluchten. Gegen Maschinengewehre und ohne Artillerie kann man nur drei Dinge tun: sich in sicherer Entfernung – sagen wir vierhundert Meter – eingraben, über die offene Fläche vorgehen und abgeschlachtet werden oder kleine nächtliche Angriffe machen, die an der allgemeinen Lage nichts ändern. Praktisch sind die Alternativen Stillstand oder Selbstmord.
Außerdem fehlte es uns vollständig an Kriegsmaterial jeder Art. Nur mit großer Mühe kann man sich vorstellen, wie schlecht die Milizen zu jener Zeit ausgerüstet waren. Jedes O.T.C.(Offiziersausbildungskorps, A.d.Ü.) einer Internatsschule in England ähnelt eher einer modernen Armee, als wir es taten. Der schlechte Zustand unserer Waffen war so verblüffend, daß es sich lohnt, darüber im einzelnen zu berichten.
Die gesamte Artillerie an diesem Abschnitt der Front bestand aus vier Grabengranatwerfern mit fünfzehn Schuß für jeden einzelnen. Natürlich waren sie zu wertvoll, um abgefeuert zu werden, und so hielt man die Granatwerfer in Alcubierre. Maschinengewehre hatten wir im Verhältnis von etwa eines auf fünfzig Mann. Es waren altmodische Maschinengewehre, aber einigermaßen genau bis auf drei- oder vierhundert Meter Entfernung. Über diese Entfernung hinaus konnten wir nur Gewehre benutzen, und die meisten dieser Gewehre waren Schrott. Drei Typen Gewehre waren in Benutzung. Das erste war das lange Mausergewehr. Gewehre dieser Art waren selten weniger als zwanzig Jahre alt, und ihr Visier war so brauchbar wie ein zerbrochener Geschwindigkeitsanzeiger. Bei den meisten waren die Züge hoffnungslos verrostet, aber eins von zehn Gewehren war nicht schlecht. Dann gab es das kurze Mausergewehr oder mousqueton, in Wirklichkeit eine Kavalleriewaffe. Diese Gewehre waren beliebter als die anderen, denn man konnte sie leichter tragen, und sie waren weniger unnütz im Schützengraben, außerdem waren sie verhältnismäßig neu und sahen brauchbar aus. In Wirklichkeit waren aber auch sie fast nutzlos. Man hatte sie aus wieder zusammengebauten Teilen gemacht; kein Verschluß gehörte zu dem Gewehr, auf dem er saß. Bei Dreiviertel der Gewehre konnte man damit rechnen, daß er sich nach fünf Schüssen sperrte. Es gab auch einige Winchestergewehre. Man konnte recht gut damit schießen, aber sie waren enorm ungenau, und da die Patronen keine Patronenrahmen hatten, konnte man jeweils nur einen Schuß abfeuern. Munition war so knapp, daß jeder Soldat, der an die Front kam, nur fünfzig Schuß erhielt. Die meisten davon waren außerordentlich schlecht.
Die in Spanien hergestellten Patronen waren wiedergefüllte Hülsen und klemmten selbst in den besten Gewehren. Die mexikanischen Patronen waren besser und wurden deshalb für die Maschinengewehre reserviert. Am besten war die in Deutschland hergestellte Munition; aber da sie nur von Gefangenen und Deserteuren kam, gab es nicht viel davon. Für den Notfall verwahrte ich in meiner Tasche immer einen Patronenrahmen mit deutscher oder mexikanischer Munition. In der Praxis aber schoß ich im Notfall selten mit meinem Gewehr. Ich hatte zuviel Angst, daß das scheußliche Ding klemmen würde, und außerdem wollte ich auf jeden Fall noch einige Schüsse aufheben, die wirklich losgingen.
Wir hatten keine Stahlhelme, keine Bajonette und kaum Revolver oder Pistolen und nicht mehr als eine Handgranate auf fünf oder zehn Leute. Die zu dieser Zeit gebräuchliche Handgranate war ein fürchterliches Ding, unter dem Namen » F.A.I.-Bombe« bekannt. Die Anarchisten hatten sie während der ersten Tage des Krieges hergestellt. Sie funktionierte nach dem Prinzip der Mill’schen Handgranate, aber der Zündhebel wurde nicht durch einen Stift, sondern durch ein Stück Klebestreifen heruntergehalten. Man zerriß den Klebestreifen und mußte dann mit größtmöglicher Schnelligkeit die Handgranate wegwerfen. Es hieß von diesen Handgranaten, sie seien »unparteiisch«: sie töteten den Mann, auf den man sie warf, und den Mann, der sie warf. Es gab noch verschiedene andere Typen, die noch primitiver, aber wahrscheinlich etwas weniger gefährlich für den Werfer waren. Erst spät im März sah ich eine Handgranate, die zu werfen sich lohnte.
Außer diesen Waffen fehlten auch alle kleineren Hilfsmittel für einen Krieg. Wir hatten zum Beispiel keine Karten oder Pläne. Spanien ist nie richtig
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