Mein Katalonien
während der ersten zwei Kriegsmonate die Lage mehr als irgend jemand gerettet, und selbst lange Zeit danach waren die Milizeinheiten der Anarchisten trotz ihrer schlechten Disziplin offenkundig die besten Kämpfer unter den rein spanischen Truppen. Ab Februar 1937 konnte man bis zu einem gewissen Grade die Anarchisten und die P.O.U.M. als eine Einheit ansehen. Hätten die Anarchisten, die P.O.U.M. und der linke Flügel der Sozialisten zu Beginn genügend Verstand gehabt, sich zusammengetan und eine realistische Politik durchgeführt, wäre der Krieg möglicherweise anders verlaufen. Das war aber zu Beginn dieses Kampfes, als die Revolutionsparteien das Spiel in Händen zu haben schienen, unmöglich. Zwischen den Anarchisten und Sozialisten standen uralte Eifersüchte. Die Anhänger der P.O.U.M. waren als Marxisten skeptisch gegenüber den Anarchisten, während vom rein anarchistischen Standpunkt aus der »Trotzkismus« der P.O.U.M. dem »Stalinismus« der Kommunisten kaum vorzuziehen war. Trotzdem bewirkte die kommunistische Taktik ein Zusammengehen der beiden Parteien. Als die P.O.U.M. sich im Mai an den unheilvollen Kämpfen in Barcelona beteiligte, geschah dies hauptsächlich in einem Gefühl des Beistandes für die C.N.T. und als später die P.O.U.M. unterdrückt wurde, wagten es allein die Anarchisten, eine Stimme zu ihrer Verteidigung zu erheben.
Grob gesprochen hatten sich die Kräfte etwa so gegliedert: auf der einen Seite die C.N.T.-F.A.I. die P.O.U.M. und der Flügel der Sozialisten, die für die Kontrolle durch die Arbeiter waren; auf der anderen Seite der rechte Flügel der Sozialisten, die Liberalen und die Kommunisten, die sich für eine Zentralregierung und eine militarisierte Armee einsetzten.
Es ist leicht verständlich, warum ich zu dieser Zeit den kommunistischen Standpunkt dem der P.O.U.M. vorzog. Nach dem gesunden Menschenverstand, der nur die nahe Zukunft im Auge hat, besaßen die Kommunisten eine entschiedene, praktische Politik, also offensichtlich eine bessere Politik. Sicher waren außerdem die tagtägliche Politik der P.O.U.M. ihre Propaganda und so weiter unaussprechlich schlecht. Das war sicher so, denn sonst hätten sie eine größere Gefolgschaft anziehen müssen. Den Ausschlag aber gab – so schien es mir –, daß die Kommunisten in diesem Krieg vorankamen, während wir und die Anarchisten stillstanden. Dieses Gefühl hatte zu jener Zeit jeder. Die Kommunisten hatten die Macht und einen großen Zuwachs ihrer Mitgliedschaft teilweise dadurch gewonnen, weil sie sich, die Revolutionäre bekämpfend, an die Mittelklasse wandten, aber teilweise auch, weil sie die einzigen Leute waren, die aussahen, als ob sie fähig seien, den Krieg zu gewinnen. Die russischen Waffen und die großartige Verteidigung Madrids durch Truppen, die hauptsächlich unter kommunistischer Kontrolle standen, hatte die Kommunisten zu den Helden Spaniens gemacht. Jedes russische Flugzeug, das über unsere Köpfe flog, war, wie es jemand einmal ausdrückte, kommunistische Propaganda. Der revolutionäre Übereifer der P.O.U.M. erschien mir ziemlich fruchtlos, obwohl ich seine Logik einsah. Denn schließlich kam es in diesem Krieg allein auf den Sieg an.
Währenddessen aber tobte überall der teuflische Kampf zwischen den Parteien, in Zeitungen, Flugblättern, auf Plakaten und in Büchern. Ich bekam damals vor allem die P.O.U.M.-Zeitungen La Batalla und Adelante zu Gesicht. Ich fand ihre endlose Krittelei an der »konterrevolutionären« P.S.U.C. ermüdend und pedantisch. Als ich später die Presse der P.S.U.C. und der Kommunisten etwas näher studierte, erkannte ich, daß die P.O.U.M. im Vergleich zu ihren Feinden beinahe tadellos war. Außerdem waren ihre Möglichkeiten sehr beschränkt. Im Gegensatz zu den Kommunisten fanden sie in der Presse außerhalb ihres eigenen Landes keine Unterstützung, und in Spanien selbst waren sie in einem gewaltigen Nachteil, weil die Zensur der Presse hauptsächlich von Kommunisten ausgeübt wurde. Das bedeutete, daß die Zeitungen der P.O.U.M. häufig unterdrückt oder bestraft werden konnten, wenn sie etwas Schädliches sagten. Man muß außerdem fair sein und sagen, daß die P.O.U.M. sich nicht in persönlichen Angriffen erging, obwohl sie endlose Predigten über die Revolution hielt und Lenin bis zum Erbrechen zitierte. Außerdem beschränkte sie ihre Polemik vor allem auf Zeitungsartikel. Ihre großen, bunten Plakate, die für eine breitere Öffentlichkeit entworfen waren
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