Mein Katalonien
Kriegen unterschied. Das hätte man jedoch nach der Art der Kriegspropaganda niemals annehmen können. Kaum hatten die Kämpfe begonnen, tauchten die Zeitungen der Rechten und der Linken gleichzeitig in dieselbe Senkgrube von Beschimpfungen. Wir alle erinnern uns an das Plakat der Daily Mail mit der Überschrift »Rote kreuzigen Nonnen«. Nach den Worten des Daily Worker hingegen setzte sich die Fremdenlegion Francos aus »Mördern, weißen Sklavenhändlern, Rauschgiftsüchtigen und dem Ausschuß jedes europäischen Landes« zusammen. Selbst noch im Oktober 1937 traktierte uns der New Statesman mit Geschichten von faschistischen Barrikaden, die man aus den Körpern lebendiger Kinder errichtet habe (ein sehr unpraktisches Material, um Barrikaden daraus zu machen). Mr. Arthur Bryant erklärte gleichzeitig, daß es im loyalistischen Spanien durchaus üblich sei, die Füße eines konservativen Geschäftsmannes einfach abzusägen. Leute, die solche Geschichten schreiben, beteiligen sich nie am Kampf. Vielleicht glauben sie, so zu schreiben sei ein Ersatz für das Kämpfen. Das ist in allen Kriegen immer das gleiche. Die Soldaten kämpfen, die Journalisten schreiben, und kein wahrer Patriot kommt je einem Schützengraben an der Front nahe, außer auf ganz kurzen Propagandatouren. Manchmal tröstete es mich zu wissen, daß das Flugzeug die Bedingungen eines Krieges ändert. Vielleicht sehen wir im nächsten Krieg etwas, was es nie zuvor in der Geschichte gegeben hat: einen Säbelraßler mit einem Kugelloch im Bauch.
Vom journalistischen Standpunkt aus war dieser Krieg wie alle anderen Kriege ein Schauspiel. Aber in Spanien gab es einen Unterschied. Wenn normalerweise die Journalisten ihre mörderischen Schmähungen für den Feind reservieren, kamen im Laufe der Zeit die Kommunisten und die P.O.U.M.-Leute dazu, erbitterter voneinander als von den Faschisten zu schreiben. Trotzdem konnte ich mich damals nicht dazu aufraffen, das alles sehr ernst zu nehmen. Der Kampf zwischen den Parteien war ärgerlich und sogar widerwärtig, aber er kam mir vor wie ein häuslicher Hader. Ich glaubte nicht, daß er irgend etwas ändern würde oder daß es wirklich unüberbrückbare Unterschiede m der Politik gebe. Es leuchtete mir ein, daß sich die Kommunisten und die Liberalen vorgenommen hatten, die Revolution nicht weiter fortschreiten zu lassen. Ich konnte jedoch nicht begreifen, daß sie fähig sein könnten, sie zurückzudrehen.
Dafür gab es gute Gründe. Während der ganzen Zeit war ich an der Front, und an der Front veränderte sich die gesellschaftliche oder politische Atmosphäre nicht. Ich hatte Barcelona Anfang Januar verlassen und trat meinen Urlaub nicht vor Ende April an. Während dieser ganzen Zeit, ja selbst später noch, blieben die Bedingungen in diesem Teil von Aragonien, der von den Anarchisten und den Truppen der P.O.U.M. kontrolliert wurde, die gleichen, zumindest nach außen hin. Die revolutionäre Atmosphäre blieb so, wie ich sie am Anfang kennengelernt hatte. Generale und einfache Soldaten, Bauern und Milizsoldaten begegneten sich als ebenbürtig, jeder erhielt den gleichen Lohn, trug die gleiche Kleidung, aß die gleiche Nahrung und nannte jeden anderen du und Kamerad. Es gab keine Klasse der Bosse, keine Klasse der Lakaien, keine Bettler, keine Prostituierten, keine Rechtsanwälte, keine Priester, keine Speichelleckerei und keine Unterwürfgkeit. Ich atmete die Luft der Gleichheit und war einfältig genug, mir vorzustellen, daß sie in ganz Spanien existierte. Es fiel mir nicht auf, daß ich mehr oder minder zufällig unter dem revolutionärsten Teil der spanischen Arbeiterklasse isoliert war. Ich neigte dazu, über meine politisch besser unterrichteten Kameraden zu lachen, wenn sie mir erzählten, daß man dem Krieg gegenüber nicht eine rein militärische Haltung einnehmen könne oder daß es nur die Wahl zwischen Revolution und Faschismus gebe. Im großen und ganzen akzeptierte ich die kommunistische Ansicht, die man mit den Worten zusammenfassen kann: »Wir können nicht über die Revolution sprechen, ehe wir nicht den Krieg gewonnen haben.« Und ich stimmte nicht mit der Ansicht der P.O.U.M. überein, die ungefähr lautete: »Wir müssen vorwärts gehen oder wir gehen zurück.« Wenn ich mich später dazu entschloß, den Standpunkt der P.O.U.M. als den richtigen anzusehen, jedenfalls als richtiger als den der Kommunisten, geschah dies nicht aus rein theoretischen Gründen.
Auf dem Papier machte sich die
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