Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
Vom Netzwerk:
(Plakate sind in Spanien mit seiner größtenteils des Lesens unkundigen Bevölkerung wichtig), griffen nicht die gegnerischen Parteien an, sondern hatten einfach antifaschistische oder abstrakte revolutionäre Inhalte. Das galt auch für die Lieder, die die Milizsoldaten sangen. Die Anschuldigungen der Kommunisten dagegen waren eine ganz andere Sache. Ich werde mich später in diesem Buch damit noch befassen müssen. An dieser Stelle kann ich die kommunistischen Angriffe nur kurz andeuten.
    Nach außen war der Streit zwischen den Kommunisten und der P.O.U.M. nur eine taktische Frage. Die P.O.U.M. setzte sich für die sofortige Revolution ein, die Kommunisten nicht. So weit, so gut, dafür konnte man auf beiden Seiten viel sagen. Darüber hinaus behaupteten die Kommunisten, die Propaganda der P.O.U.M. entzweie und schwäche die Regierungstruppen und gefährde so den Sieg in diesem Krieg. Auch dieses Argument enthält einen wahren Kern, obwohl ich letzten Endes nicht damit einverstanden bin. Aber hier zeigte sich die Eigentümlichkeit der kommunistischen Taktik. Anfangs noch vorsichtig, dann aber lauter behaupteten sie, die P.O.U.M. zersplittere die Regierungstruppen nicht allein durch ihre schlechte Urteilskraft, sondern durch wohlüberlegte Absicht. Die P.O.U.M. wurde als eine Bande verkleideter Faschisten angeprangert, die von Franco und Hitler bezahlt seien und eine pseudorevolutionäre Politik verfolgten, um so der faschistischen Sache zu helfen; die P.O.U.M. sei eine »trotzkistische« Organisation und die »Fünfte Kolonne Francos«. Das hieß also, daß Zehntausende von Arbeitern einschließlich der acht- oder zehntausend Soldaten, die in den Schützengräben froren, und Hunderte von Ausländern, die nach Spanien gekommen waren, um gegen den Faschismus zu kämpfen, und oft ihren Lebensunterhalt und ihre Nationalität aufgegeben hatten, einfach vom Feind bezahlte Verräter waren. Diese Geschichte aber wurde in ganz Spanien durch Plakate und ähnliches verbreitet und in der kommunistischen und prokommunistischen Presse der ganzen Welt ständig wiederholt. Ich könnte ein halbes Dutzend Bücher mit Zitaten füllen, wenn ich mir vorgenommen hätte, sie zu sammeln.
    So sagten sie also von uns, wir seien Trotzkisten, Faschisten, Verräter, Mörder, Feiglinge, Spione und so weiter. Ich gebe zu, daß das nicht angenehm war, besonders wenn man an einige der Leute dachte, die dafür verantwortlich waren. Es ist nicht schön, wenn man sieht, wie ein fünfzehnjähriger spanischer Junge auf einer Bahre aus der Front getragen wird, mit seinem verwirrten, weißen Gesicht unter der Decke hervorschaut, und man sich dann die gewissenlosen Leute in London und Paris vorstellt, die Broschüren schreiben, um nachzuweisen, daß dieser Junge ein verkappter Faschist sei. Es ist einer der scheußlichsten Züge des Krieges, daß alle Kriegspropaganda, alles Geschrei, alle Lügen und aller Haß ständig von Leuten kommen, die nicht mitkämpfen. Die Milizsoldaten der P.S.U.C. die ich an der Front kennenlernte, oder die Kommunisten aus der Internationalen Brigade, die ich von Zeit zu Zeit traf, bezeichneten mich niemals als Trotzkisten oder Verräter; so etwas überließen sie den Journalisten hinter der Front. Die Leute, die Broschüren gegen uns schrieben und uns in den Zeitungen beschimpften, blieben wohlbehütet zu Hause. Schlimmstenfalls aber saßen sie in den Zeitungsredaktionen von Valencia, Hunderte von Kilometern von Kugelregen und Schlamm entfernt. Der Kampf zwischen den Parteien wurde mit Verleumdung geschürt, dazu kamen wie üblich die gewöhnlichen Kriegsgeschichten, man rührte die Propagandatrommeln, erzählte Heldentaten und schmähte den Feind. Das alles war das Werk von Leuten, die nicht kämpften und die in vielen Fällen lieber zweihundert Kilometer gelaufen wären, als sich am Kampf zu beteiligen. Als eine der traurigsten Wirkungen dieses Krieges erkannte ich, daß die Presse der Linken bis ins kleinste genauso falsch und unehrlich ist wie die der Rechten 1 .
    1 Ich möchte als einzige Ausnahme den Manchester Guardian nennen. Im Zusammenhang mit diesem Buch mußte ich die Archivbände einer ganzen Anzahl englischer Zeitungen durchblättern. Allein der Manchester Guardian unter unseren größeren Zeitungen hinterläßt in mir einen wachsenden Respekt für seine Ehrlichkeit.
    Ich bin ernsthaft davon überzeugt, daß sich dieser Krieg auf unserer Seite, also der Zentralregierung, von den normalen, imperialistischen

Weitere Kostenlose Bücher