Mein Katalonien
hinter der Brustwehr wurde endlos über die miteinander in Konflikt liegenden Partei-»Linien« debattiert. Auch die Spanier taten nichts anderes. Die meisten Zeitungen, die wir zu Gesicht bekamen, beschäftigten sich auch vorwiegend mit dem Kampf zwischen den Parteien. Man mußte taub oder schwachsinnig sein, um nicht etwa zu begreifen, wofür sich die verschiedenen Parteien einsetzten.
Es gab nur drei Parteien von politisch-theoretischer Bedeutung, die P.S.U.C. die P.O.U.M. und die C.N.T.-F.A.I, ungenau als Anarchisten bezeichnet. Ich beschreibe zuerst die P.S.U.C. da sie die bedeutendste war. Es war die Partei, die zum Schluß triumphierte, und selbst zu dieser Zeit war sie schon sichtbar im Aufstieg.
Es ist notwendig zu erklären, daß in Wirklichkeit die kommunistische Parteilinie gemeint ist, wenn man von der P.S.U.C.-»Linie« spricht. Die P.S.U.C. (Partido Socialista Unifcado de Cataluña) war die sozialistische Partei Kataloniens. Sie war zu Beginn des Krieges durch den Zusammenschluß verschiedener marxistischer Parteien, einschließlich der katalanischen kommunistischen Partei, gegründet worden. Aber sie stand jetzt vollständig unter kommunistischer Kontrolle und gehörte zur Dritten Internationale. Nirgendwo sonst in Spanien hatte es eine formale Einigung zwischen Sozialisten und Kommunisten gegeben. Aber man konnte annehmen, daß überall der kommunistische und der rechtssozialistische Standpunkt identisch waren. Grob gesprochen war die P.S.U.C. das politische Organ der U.G.T. (Unión General de Trabajadores), der sozialistischen Gewerkschaften. Die Mitgliederzahl dieser Gewerkschaften betrug jetzt in ganz Spanien etwa eineinhalb Millionen. Darunter befanden sich große Teile der Handarbeiter, aber seit dem Ausbruch des Krieges waren sie auch durch den Zustrom aus dem Mittelstand angeschwollen. Denn während der ersten Revolutionstage hatten es viele Leute als nützlich empfunden, sich entweder der U.G.T. oder der C.N.T. anzuschließen. Die beiden Gewerkschaftsblocks deckten sich zum Teil, aber unter den beiden war die C.N.T. eindeutiger eine Organisation der Arbeiterklasse. Deshalb war die P.S.U.C. teilweise eine Partei der Arbeiter und teilweise der kleinen Bourgeoisie, der Ladenbesitzer, der Beamten und der wohlhabenderen Bauern.
Die »Linie« der P.S.U.C. die in der kommunistischen und prokommunistischen Presse der ganzen Welt gepredigt wurde, lautete ungefähr so: »Im Augenblick ist nichts von Bedeutung, als den Krieg zu gewinnen. Ohne Sieg in diesem Krieg ist alles andere bedeutungslos. Darum ist es nicht der richtige Augenblick, davon zu sprechen, die Revolution voranzutreiben. Wir können es uns nicht leisten, uns die Bauern zu entfremden, indem wir ihnen die Kollektivierung aufzwingen, und wir können es uns auch nicht leisten, die Mittelklasse abzuschrecken, die auf unserer Seite kämpft. Vor allem müssen wir um der Leistung willen das ganze revolutionäre Chaos beseitigen. An Stelle von örtlichen Ausschüssen brauchen wir eine starke Zentralregierung und eine richtig ausgebildete, voll leistungsfähige Armee unter einem einheitlichen Kommando. Es ist mehr als nutzlos, sich an die Überreste einer Kontrolle durch die Arbeiter zu halten und revolutionäre Phrasen nachzuplappern. Das ist nicht nur hinderlich, sondern sogar konterrevolutionär und führt zu Aufspaltungen, die die Faschisten gegen uns benutzen können. In diesem Stadium kämpfen wir nicht für die Diktatur des Proletariats, wir kämpfen für die parlamentarische Demokratie. Wer versucht, den Bürgerkrieg in eine soziale Revolution zu verwandeln, spielt in die Hände der Faschisten und ist in der Wirkung, wenn nicht sogar in der Absicht, ein Verräter.«
Die Parteilinie der P.O.U.M. unterschied sich hiervon in jedem Punkt, außer der Forderung natürlich, daß es wichtig sei, den Krieg zu gewinnen. Die P.O.U.M. war eine jener sezessionistischen kommunistischen Parteien, die während der letzten Jahre in vielen Ländern als Resultat der Opposition gegen den »Stalinismus« entstanden sind, also als Antwort auf einen wirklichen oder scheinbaren Wechsel in der kommunistischen Politik. Sie bestand teilweise aus ehemaligen Kommunisten und teilweise aus einer ehemaligen anderen Partei, dem Block der Arbeiter und Bauern. Zahlenmäßig war sie eine kleine Partei 1 .
1 Die Mitgliedszahlen der P.O.U.M. betrugen im Juli 1936 10.000, Dezember 1936 70.000, Juni 1937 40.000. Diese Zahlen stammen aber aus P.O.U.M.-Quellen. Eine
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