Mein Katalonien
fragen. Zu diesem Zeitpunkt war der Lärm des Gewehr- und Maschinengewehrfeuers aus den verschiedenen Richtungen fast so laut wie der Lärm einer Schlacht. Ich hatte gerade Kopp gefunden und fragte ihn, was wir tun sollten, als wir von weiter unten eine Reihe schrecklicher Explosionen hörten. Der Lärm war so laut, daß ich überzeugt war, jemand feuere mit einer Kanone auf uns. In Wirklichkeit waren es nur Handgranaten, die doppelt soviel Krach machen als gewöhnlich, wenn sie zwischen Steingebäuden explodieren.
Kopp warf einen Blick aus dem Fenster, spannte seinen Stock hinter dem Rücken und sagte: »Wir wollen die Sache einmal untersuchen«, dann schlenderte er in seiner gewohnten, unbekümmerten Art die Treppe hinunter, während ich ihm folgte. Direkt vom Torweg aus rollte eine Gruppe der Stoßtruppe Handgranaten so den Bürgersteig hinunter, als ob sie Kegel spielten. Zwanzig Meter weiter explodierten die Handgranaten mit entsetzlichem, ohrenbetäubendem Krach, der sich mit dem Knallen der Gewehre mischte. In der Mitte der Straße schaute ein Kopf hinter einem Zeitungskiosk hervor – es war der Kopf eines amerikanischen Milizsoldaten, den ich gut kannte –, und er sah wie eine Kokosnuß auf der Kirmes aus. Später erst begriff ich, was hier eigentlich los war. Neben dem P.O.U.M.-Gebäude lag ein Café, darüber ein Hotel, es hieß Café ›Moka‹. Am Vortage waren zwanzig oder dreißig bewaffnete Zivilgardisten in das Café gekommen und hatten es plötzlich besetzt und sich im Gebäude verschanzt, als die Kämpfe begannen. Vermutlich hatten sie Befehl erhalten, das Café zu besetzen, um von hier aus später die P.O.U.M.-Büros anzugreifen. Frühmorgens hatten sie versucht hinauszukommen, es wurden Schüsse gewechselt, ein Mann der Stoßtruppe verwundet und ein Zivilgardist getötet. Die Zivilgardisten waren ins Café zurückgefüchtet, aber als der Amerikaner die Straße hinunterkam, hatten sie das Feuer auf ihn eröffnet, obwohl er nicht bewaffnet war. Der Amerikaner hatte sich hinter den Kiosk in Deckung geworfen, und die Männer der Stoßtruppe warfen Handgranaten auf die Zivilgardisten, um sie wieder in das Haus hineinzutreiben.
Kopp erfaßte die Situation mit einem Blick, drängte sich nach vorne und zog einen rothaarigen deutschen Mann der Stoßtruppe zurück, der gerade den Sicherheitsstift einer Handgranate mit seinen Zähnen herauszog. Er schrie allen zu, sich vom Torweg zurückzuziehen, und sagte uns in verschiedenen Sprachen, wir müßten jedes Blutvergießen vermeiden. Dann trat er in das Blickfeld der Zivilgardisten auf den Bürgersteig hinaus, schnallte großtuerisch seine Pistole ab und legte sie auf den Boden. Zwei spanische Milizoffiziere taten das gleiche, und die drei gingen langsam zu dem Torweg, in dem sich die Zivilgardisten zusammendrängten. Das hätte ich nicht einmal für zwanzig Pfund getan. Sie gingen unbewaffnet auf die Männer zu, die vor Angst fast den Verstand verloren hatten und geladene Gewehre in ihren Händen hielten. Ein Zivilgardist in Hemdsärmeln kam aschgrau vor Furcht aus der Tür heraus, um mit Kopp zu sprechen. Er zeigte ganz aufgeregt auf zwei nicht explodierte Handgranaten, die auf dem Bürgersteig lagen. Kopp kam zurück und sagte uns, daß wir besser die Handgranaten zur Explosion brächten. So wie sie dort lägen, seien sie für jeden, der vorbeikomme, eine Gefahr. Ein Mann der Stoßtruppe schoß sein Gewehr auf eine der Handgranaten ab und brachte sie zur Explosion. Dann feuerte er auf die andere und schoß vorbei. Ich bat ihn, mir sein Gewehr zu geben, kniete nieder und schoß auf die zweite Handgranate. Leider traf ich sie auch nicht. Das war der einzige Schuß, den ich während der Unruhen abfeuerte. Der Bürgersteig war mit zerbrochenem Glas des Schildes über dem Café ›Moka‹ bedeckt. Zwei Wagen, die vor dem Café parkten, einer davon Kopps Dienstwagen, waren von Kugeln durchlöchert und ihre Windschutzscheiben von berstenden Handgranaten zertrümmert worden.
Kopp nahm mich wieder nach oben und erklärte mir die Lage. Wir mußten die P.O.U.M.-Gebäude im Falle eines Angriffes verteidigen. Aber die Anführer der P.O.U.M. hatten Anweisungen ausgegeben, daß wir in der Defensive bleiben und, wenn irgend möglich, das Feuer nicht eröffnen sollten. Uns genau gegenüber lag ein Kino, es hieß ›Poliorama‹. Darüber war ein Museum und oben, hoch über den Dächern, ein kleines Observatorium mit zwei Kuppeln. Die Kuppeln beherrschten die Straße,
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