Mein Katalonien
was vor sich ging, und einfach Schutz suchend in die P.O.U.M.-Gebäude geflohen waren. Ferner waren eine Reihe Urlauber aus der Miliz und eine Handvoll Ausländer da. Soviel ich schätzen konnte, gab es nur etwa sechzig Gewehre für uns alle. Die Offiziere im oberen Stockwerk wurden unablässig von einer Menschenmenge belagert, die Gewehre verlangte und der man mitteilte, daß keine mehr übrig seien. Die jüngeren Milizburschen schienen die ganze Geschichte für eine Art Picknick zu halten. Sie streiften umher und versuchten jedem, der ein Gewehr hatte, dies abzuschmeicheln oder zu stehlen. Es dauerte nicht lange, ehe einer von ihnen mit einem Trick auch mein Gewehr wegnahm und sich sofort aus dem Staube machte. So war ich mit Ausnahme meiner winzigen Pistole, für die ich aber nur einen Rahmen Patronen hatte, wieder unbewaffnet.
Es dunkelte, und ich wurde hungrig, anscheinend gab es keine Lebensmittel im ›Falcon‹. Mein Freund und ich schlüpften hinaus zu seinem Hotel, das nicht weit weg lag, um etwas zum Abendessen zu bekommen. Die Straßen waren vollständig dunkel und ruhig, keine Menschenseele bewegte sich, die Stahljalousien waren vor allen Schaufenstern herabgelassen, aber man hatte noch keine Barrikaden gebaut. Ehe wir in das Hotel hineingelassen wurden, gab es große Schwierigkeiten, da es verschlossen und barrikadiert war. Als wir zurückkamen, hörte ich, das Telefonamt funktioniere, und ging an das Telefon im Büro im oberen Stockwerk, um meine Frau anzurufen. Es war typisch, daß es im ganzen Gebäude kein Telefonbuch gab, auch kannte ich die Nummer des Hotels ›Continental‹ nicht. Nachdem ich vielleicht eine Stunde von Zimmer zu Zimmer gesucht hatte, fand ich schließlich einen Stadtführer, in dem die Nummer stand. Ich konnte keine Verbindung mit meiner Frau bekommen, aber es gelang mir, John McNair, den Vertreter der I.L.P. in Barcelona, zu erreichen. Er sagte mir, daß alles in Ordnung sei und niemand erschossen wurde. Er fragte mich, ob auch im Komiteelokal alles in Ordnung sei. Ich sagte, wir müßten zufrieden sein, wenn wir nur einige Zigaretten hätten. Ich hatte das als Witz gemeint, trotzdem erschien McNair eine halbe Stunde später mit zwei Päckchen Lucky Strike. Er hatte sich mutig durch die pechschwarzen Straßen geschlichen, die nur von anarchistischen Patrouillen durchstreift wurden, die ihn zweimal mit gezogener Pistole angehalten und seine Papiere durchsucht hatten. Ich werde diese kleine mutige Tat nicht vergessen. Wir freuten uns sehr über die Zigaretten.
An den meisten Fenstern waren bewaffnete Wachen aufgestellt worden, und unten auf der Straße hielt eine kleine Gruppe der Stoßtruppe jeden an, der vorbeiging, und untersuchte ihn. Ein waffenstarrender anarchistischer Patrouillenwagen fuhr vor. Neben dem Fahrer spielte ein hübsches, dunkelhaariges, etwa achtzehnjähriges Mädchen mit einer Maschinenpistole auf ihrem Schoß. Ich verbrachte einige Zeit damit, im Gebäude umherzuwandern. Es war ein großer, weitläufiger Platz, dessen Plan man sich unmöglich einprägen konnte. Überall lag der übliche Unrat, zerbrochene Möbel und zerrissenes Papier, die die unvermeidlichen Produkte einer Revolution zu sein scheinen. Im ganzen Gebäude schliefen Menschen. Auf einem zerbrochenen Sofa in einem Flur schnarchten friedlich zwei arme Frauen von den Kais. Dieses Gebäude war ein Kabarett-Theater gewesen, ehe es von der P.O.U.M. besetzt wurde. In verschiedenen Räumen gab es erhöhte Bühnen, auf einer stand ein einsamer Flügel. Schließlich entdeckte ich, was ich gesucht hatte – die Waffenkammer. Ich wußte nicht, wie die ganze Geschichte ausgehen würde, und ich wollte unbedingt eine Waffe besitzen. Ich hatte so oft gehört, alle rivalisierenden Parteien, die P.S.U.C. die P.O.U.M. und die C.N.T.-F.A.I. hätten Waffen in Barcelona gehamstert, daß ich nicht glauben konnte, in den zwei wichtigsten Gebäuden der P.O.U.M. die ich gesehen hatte, gebe es nur fünfzig oder sechzig Gewehre. Der als Waffenkammer dienende Raum war unbewacht und hatte eine dünne Tür. Es war für mich und einen anderen Engländer nicht schwierig, sie aufzudrücken. Als wir hineinkamen, sahen wir, daß es stimmte, was man uns gesagt hatte – es gab keine Waffen mehr. Wir fanden nur etwa zwei Dutzend uralte, kleinkalibrige Gewehre und einige Schrotbüchsen, aber ohne Patronen. Ich ging zum Büro und fragte, ob man noch zusätzliche Pistolenmunition habe; sie hatten keine. Sie hatten aber einige Kisten
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