Mein Katalonien
Stadt bemächtigten sich Trupps der Zivilgarde und P.S.U.C.-Anhänger der Gebäude an strategisch wichtigen Stellen. Sie machten das mit überraschender Schnelligkeit, wenn auch vielleicht nicht, bevor die Kämpfe überhaupt anfingen. Man muß sich vergegenwärtigen, daß sich diese Dinge in Spanien und nicht in England ereigneten. Barcelona ist eine Stadt mit einer langen Geschichte voller Straßenkämpfe. An solchen Orten ereignen sich die Dinge schnell, die Parteien sind schon vorbereitet, jeder kennt die örtlichen Gegebenheiten, und wenn die Kanonen zu schießen beginnen, nehmen die Menschen ihre Plätze fast wie bei einem Feueralarm ein. Vermutlich erwarteten die für die Besetzung des Telefonamtes Verantwortlichen die Unruhen – aber sicher nicht in dem Ausmaße, wie sie sich tatsächlich abspielten. Sie hatten Gegenmaßnahmen vorbereitet, aber daraus folgert nicht, daß sie einen allgemeinen Angriff auf die C.N.T. planten. Es gibt zwei Gründe für meine Vermutung, daß keine der Parteien irgendwelche Vorbereitungen für umfangreiche Kämpfe getroffen hatte:
1. Keine der Parteien hatte vorher Truppen nach Barcelona gebracht. Die Kämpfe fanden nur zwischen den Leuten statt, die schon in Barcelona waren, hauptsächlich Zivilisten und Polizei.
2. Lebensmittel wurden fast sofort knapp. Jeder, der in Spanien gedient hat, weiß, daß die einzige Kriegshandlung, welche die Spanier wirklich gut bewerkstelligen, die Versorgung ihrer Truppen mit Lebensmitteln ist. Es ist sehr unwahrscheinlich,
daß eine der Parteien ein- oder zweiwöchige Straßenkämpfe und zusätzlich einen Generalstreik geplant hätte, ohne vorher genügend Lebensmittel gelagert zu haben.
Schließlich noch die Frage nach Recht oder Unrecht. In der ausländischen antifaschistischen Presse wurde viel
Staub aufgewirbelt, aber wie üblich schenkte man nur einer Seite des Falles Gehör. So wurden die Kämpfe in Barcelona als ein Aufstand illoyaler Anarchisten und Trotzkisten dargestellt, die »der spanischen Regierung in den Rücken fielen« und so weiter. So einfach war die Streitfrage aber nicht. Wenn man mit einem Todfeind Krieg führt, ist es zweifellos besser, sich nicht untereinander zu streiten. Man sollte sich jedoch daran erinnern, daß zu einem Streit zwei gehören und das Volk nicht beginnt, Barrikaden zu bauen, bevor es nicht der Ansicht ist, provoziert worden zu sein.
Natürlich hat die Aufforderung der Regierung an die Anarchisten, ihre Waffen abzuliefern, zu diesen Unruhen geführt. In der englischen Presse übersetzte man diese Tatsache in englische Begriffe. Das klang dann so: Man habe an der aragonischen Front verzweifelt Waffen benötigt und sie nicht dorthin senden können, da die unpatriotischen Anarchisten sie zurückhielten. Wer die Ereignisse so darstellt, übersieht die in Spanien tatsächlich herrschenden Zustände. Jeder wußte, daß sowohl die Anarchisten als auch die P.S.U.C. Waffen hamsterten, und als die Kämpfe in Barcelona ausbrachen, wurde das noch deutlicher, denn beide Seiten kamen nun mit großen Waffenmengen zum Vorschein. Die Anarchisten wußten sehr genau, daß, selbst wenn sie ihre Waffen ablieferten, die P.S.U.C. als wichtigste politische Macht in Katalonien immer noch ihre eigenen behalten würde. So geschah es tatsächlich, als die Kämpfe vorbei waren. Unterdessen sah man sogar in den Straßen große Waffenmengen, die an der Front bitter benötigt wurden, die aber für die »nichtpolitische« Polizeimacht in der Etappe zurückgehalten wurden. Alles wurde aber beherrscht von dem unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Kommunisten und Anarchisten, der früher oder später zu einer Auseinandersetzung führen mußte. Die Kommunistische Partei Spaniens war seit Kriegsbeginn enorm an Zahl gewachsen und hatte den größeren Teil der politischen Macht an sich gerissen. Außerdem waren Tausende ausländischer Kommunisten nach Spanien gekommen, die offen verkündeten, sie wollten den Anarchismus »liquidieren«, sobald der Krieg gegen Franco gewonnen sei. Unter diesen Umständen konnte man kaum erwarten, daß die Anarchisten ihre Waffen ausliefern würden, die sie im Sommer 1936 in die Hände bekommen hatten.
Die Besetzung des Telefonamtes bedeutete einfach das Streichholz, das die schon vorhandene Bombe zündete. Es ließe sich vielleicht gerade noch vorstellen, daß die Verantwortlichen glaubten, das werde nicht zu Unruhen führen. Es heißt, daß der katalanische Präsident Companys einige Tage früher lachend
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