Mein Katalonien
erklärt habe, die Anarchisten würden sich mit allem abfinden 1 .
1 Arbeiterpartei der marxistischen Einigung (Partido Obrero de Unifcación Marxista).
Sicher war das Ganze keine kluge Handlung. Während des vergangenen Monats hatte es schon eine lange Reihe bewaffneter Zwischenfälle in verschiedenen Teilen Spaniens zwischen Kommunisten und Anarchisten gegeben. Katalonien, und besonders Barcelona, befand sich in einem Zustand der Spannung, der schon zu Straßenkämpfen, Ermordungen und dergleichen geführt hatte. Plötzlich machte in der Stadt die Nachricht die Runde, daß bewaffnete Soldaten jene Gebäude angriffen, die die Arbeiter in den Julikämpfen erobert hatten und auf deren Besitz sie einen großen, gefühlsmäßigen Wert legten. Man muß sich daran erinnern, daß die Zivilgardisten von der arbeitenden Bevölkerung nicht geliebt wurden. Generationen lang war la guardia nur ein Instrument des Landherren und des Bosses gewesen. Zweifellos wurden die Zivilgardisten doppelt stark gehaßt, weil sie ganz zu Recht verdächtigt wurden, eine sehr fragwürdige Loyalität gegenüber den Faschisten an den Tag gelegt haben 1 .
1 Bei Ausbruch des Krieges hatten sich die Zivilgardisten überall auf die Seite der stärkeren Partei geschlagen. Im Verlaufe des Krieges gingen später die örtlichen Zivilgardisten bei mehreren Gelegenheiten, zum Beispiel in Santander, geschlossen zu den Faschisten über.
Es ist wahrscheinlich, daß das Volk in den ersten Stunden von den gleichen Gefühlen auf die Straße getrieben wurde, die es bei Beginn des Krieges dazu geführt hatten, den aufständischen Generälen zu widerstehen.
Natürlich kann man sich darüber streiten, ob die Arbeiter der C.N.T. das Telefonamt ohne Protest hätten ausliefern sollen. Das eigene Urteil wird in diesem Falle davon beeinflußt, welche Stellung man zur Frage Zentralregierung oder Kontrolle durch die Arbeiterklasse einnimmt. Es ist vielleicht zutreffender, wenn man sagt: »Ja, mit ziemlicher Sicherheit hatte die C.N.T. gute Gründe. Aber trotzdem war Krieg, und es gab keine Entschuldigung dafür, einen Kampf hinter der Front anzufangen.« Hiermit stimme ich vollständig überein. Jede innere Unruhe mußte Franco helfen. Aber was löste die Kämpfe eigentlich aus? Es mag stimmen und auch nicht stimmen, daß die Regierung ein Recht hatte, das Telefonamt zu besetzen, entscheidend ist, daß dies unter den herrschenden Umständen zum Kampf führen mußte. Es war eine herausfordernde Handlung, eine Geste, die eigentlich sagte und vermutlich auch sagen sollte: »Eure Macht ist zu Ende – jetzt kommen wir an die Reihe.« Der gesunde Menschenverstand mußte einem sagen, daß es darauf nur Widerstand geben könne. Mit ein wenig Gefühl für Proportionen muß man erkennen, daß die Schuld nicht vollständig auf einer Seite lag, daß sie in einer solchen Angelegenheit auch gar nicht allein dort liegen konnte. Der Grund für die Billigung dieser einseitigen Version liegt einfach darin, daß die spanischen Revolutionsparteien keine Unterstützung in der ausländischen Presse gefunden haben. Besonders in der englischen Presse müßte man lange suchen, ehe man zu irgendeiner Zeit des Krieges einen zustimmenden Hinweis auf die spanischen Anarchisten fände. Sie wurden systematisch angeschwärzt, und es ist fast unmöglich, wie ich aus meiner eigenen Erfahrung weiß, daß man irgend jemand findet, der etwas zu ihrer Verteidigung druckt.
Ich habe versucht, über die Kämpfe in Barcelona objektiv zu schreiben, obwohl offensichtlich niemand in einer derartigen Frage vollständig objektiv sein kann. Man muß praktisch Stellung nehmen, und es muß deutlich geworden sein, auf welcher Seite ich stand. Natürlich ist es unvermeidlich, daß ich Fehler in der Darstellung der Tatsachen gemacht habe, nicht nur hier, sondern auch in anderen Teilen dieser Erzählung. Wegen des Mangels an nicht propagandistisch gefärbten Dokumenten ist es sehr schwierig, fehlerfrei über den spanischen Krieg zu schreiben. Ich warne jeden vor meinem Vorurteil, und ich warne jeden vor meinen Fehlern. Aber dennoch habe ich mein Bestes getan, um ehrlich zu sein. Es wird aber zu erkennen sein, daß meine Schilderung völlig anders ist als die, welche in der ausländischen, besonders in der kommunistischen Presse erschien. Es ist notwendig, die kommunistische Version zu untersuchen, denn sie wurde in der ganzen Welt veröffentlicht, seither in kurzen Abständen ergänzt und ist wahrscheinlich die
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