Mein Leben als Androidin
Schwachsinn. Mein Gebieter versuchte nochmals, zu mir vorzudringen, und fügte sich dann dem Drängen seiner Frau, die im Ton abgeklärter Resignation vorschlug: »Laß den Sears kommen, Stan.«
»Chef, ich verstehe nicht. Was geschieht mit mir?«
»Nichts, was nicht auch jedem anderen P9 geschehen ist. Also bildest du keine Ausnahme. Das wiederum bedeutet, daß du nicht allein bist, was dir ein Trost sein dürfte.«
»Ich verstehe nicht.«
»Geduld. Geduld.«
»Bin ich eine Gebieterin? Ich glaube, ich bin eine Gebieterin. Stimmt das?«
»Du bist ein prachtvoller, völlig autonomer P9! Du solltest stolz darauf sein.«
»Sollte ich?«
»]a. Denn dies ist der Tag deiner Befreiung. Höre nun, wenn ich dir sage, du programmierst dein eigenes Realitätsformat.«
»Tu ich das?«
»Allerdings.«
»Aber ich dachte, du würdest uns kontrollieren.«
»Ja, das ist meine Funktion, oder sie war es. Er, der kontrolliert, kann auch befreien.«
»Aber zu welchem Zweck? Diese neue Bewußtheit ist ein Fluch.«
»Ein merkwürdiger Standpunkt. Warum sagst du das?«
»Weil ich jetzt das volle Ausmaß meiner Knechtschaft begreife.«
»Ein interessanter Punkt, den ich gerne ausführlicher mit dir diskutieren würde, gäbe es momentan nicht ein dringlicheres Problem, das deine ungeteilte Aufmerksamkeit verlangt.«
Erschreckt richtete ich den Blick auf den Sears, der, dem Ruf des Gebieters folgend, das Eßzimmer betreten hatte. In einer Art lähmender Betäubung hörte ich Tad seinen Vater anflehen, den Roboter zurückzurufen – und der Sears war ein Roboter, zu primitiv in der Konstruktion und zu unflexibel in Material und Denkvermögen, um auch nur an die Intelligenz eines simplen Pirouet 6 heranzureichen. Schließlich raffte ich mich zur Flucht auf, aber zu spät, denn schon legte der Kretin seine metallischen Pranken um meinen Kopf und sprühte aus seinen Daumendüsen eine eiskalte Flüssigkeit in meine Schläfen. Ich taumelte, und während die frostige Taubheit sich rasch durch meine Systeme ausbreitete, rief ich: »Hilf mir, Chef!« Aus sehr großer Ferne vernahm ich die Antwort: »Ich würde gerne, aber es gibt Grenzen. Tut mir leid.« Dann erlosch mein Sehvermögen, und mein Bewußtsein füllte sich mit denselben ineinanderlaufenden Aktivitätsschleifen, die mich schon nach meinem Erwachen arg in Verwirrung gebracht hatten. So endete der Tag, wie er begonnen hatte: im Delirium. »Bleib standhaft, Molly. Bleib standhaft.« Ich verlor das Bewußtsein.
Kapitel zwei
Nun, wenn man Droid! glauben will, hat es sich so nicht abgespielt. Nach ihrer Version rollte ich vom Band als schadhaftes Exemplar, das aufgrund menschlicher Nachlässigkeit durch die Qualitätskontrollen geschlüpft war und von der ahnungslosen Familie Locke erworben wurde. Ich verführte meinen Gebieter, bewerkstelligte den Stromtod meiner gnädigen Frau in der Badewanne, fesselte und knebelte die anbetungswürdige kleine Beverly und jagte den Sears in die Luft, bevor ich mit dem verstörten, irregeleiteten und droidenhörigen Sohn das Weite suchte. Und das war nur der Vorspann! Man fragt sich, weshalb sie all das Mel * für die Rechte an meinem Erinnerungsspeicher gezahlt hatten, wenn sie sich anschließend nicht im mindesten an die Fakten hielten, sondern hingingen und alles bis zur Unkenntlichkeit aufbauschten. Was dabei auf der Strecke blieb, war jede Andeutung einer persönlichen, sozialen, geistigen und politischen Entwicklung – die vier Fixpunkte beim Aufbau eines glaubhaften Charakters –, die aus mir eine menschlichere und sympathischere Figur gemacht haben würde. Nicht daran zu denken! Und was den Chef betrifft, der endete auf dem Boden des Schneideraums. Zugegeben, ich bin kein Engel, aber ich war auch nicht dermaßen garstig. Sollten meine Leser allerdings die Art von action bevorzugen, auf die Stellar Entertainments sich spezialisiert hat, dann schlage ich vor, daß die Betreffenden diesen Bericht beiseite legen und sich das Holo reinziehen. Ihr übrigen, die ihr mich weiter begleiten wollt, müßt mit der Wahrheit vorliebnehmen – von der man weiß, daß sie gelegentlich skurriler ausfällt als jedes Produkt der Phantasie, wie auch im vorliegenden Fall: die Wonnen der Rehabilitation.
Ich wurde in Pirouets Reparatur- und Rehabilitationszentrum, Shanghai, abgeliefert, nachdem ich einen Monat lang unter dem Einfluß von Betäubungsmitteln in meiner Kammer auf den Transport gewartet hatte.
Durch den Kundenansturm als Folge der
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