Mein Leben als Stuntboy
gefallen.«
inspizieren
Schulterzuckend klemme ich mir das Buch unter den Arm. Ich würde mich bei Carly gern für ihre Hilfe bedanken, aber Maria und Denise schwirren die ganze Zeit wie Glühwürmchen um uns herum, und ich muss dringend weg von dieser geballten Mädchenpower.
Ich hab das Gefühl, es ist gleich Mittag, aber als ich auf die Uhr schaue,ist es erst halb zehn. Schulen liegen echt in einer ganz anderen Zeitzone als der Rest der Welt; erstaunlich, wie jede Uhr sich verlangsamt, sobald sie in einer Schule an der Wand hängt. Ich muss unbedingt mal Ms Decker fragen, warum wir in Physik eigentlich nie solche interessanten Fragen durchnehmen.
Was mich über den Tag rettet
Selbst wenn endlich die Schulglocke läutet, lassen dich die Lehrer nicht einfach durch die Tür rennen; nein, du sollst ruhig und gesittet nach draußen schreiten, wie ein Sträfling im Gefängnis, der seine Hofrunde ganz langsam drehen muss.
Sträfling
Als ich auf unsere Auffahrt einbiege, hat Bodi von seinen Instinkten längst gesagt bekommen, dass ich unterwegs bin, also stapft er schon unruhig an der Tür hin und her. Weil er schon älter ist, gehe ich inzwischen etwas vorsichtiger vor und stoße die Tür nicht mehr so heftig auf, dass sie an die Wandkracht. Ich stecke das Gesicht in sein dichtes Fell in der Hoffnung, genug Hundeduft einzuatmen, um den Schulgestank zu überdecken. Lange kann ich das allerdings nicht machen, sonst wird Frank eifersüchtig und hüpft in seinem Käfig auf und ab.
Instinkt
Ich habe nämlich einen Affen!
Frank ist ein Kapuzineräffchen. Vor ein paar Monaten, als meine Eltern sich mein Gebettel nicht mehr anhören konnten, haben sie endlich eingewilligt, ihn aufzunehmen. (An alle, die meinen, die eigenen Eltern Tag und Nacht zu nerven, um was zu kriegen, sei eine sinnlose Strategie: Es funktioniert! In 99% aller Fälle funktioniert es. Glaubt mir, ich hab’s erlebt.)
Strategie
Jetzt ist Mom diejenige, die Tag und Nacht nervt. Ständig betet sie mir vor, Frank sei kein normales Haustier, sondern nur auf Zeit bei uns, bis er alt genug für die »Affenschule« sei, woer als Begleittier für einen behinderten Menschen ausgebildet werde.
Die Idee, einen Affen zu haben, kam mir durch meinen Freund Michael, der im Rollstuhl sitzt und ein Kapuzineräffchen namens Pedro hat. Der hilft ihm im Alltag – füllt Wasserflaschen auf, hebt Sachen vom Boden auf, legt CDs ein, so was eben. Frank kann noch keine so coolen Sachen machen, aber ich bin sicher, eines Tages hat er mindestens genauso viel drauf wie Pedro.
Mom möchte nicht, dass ich Frank aus seinem Käfig rausnehme, wenn ich allein zu Hause bin, aber wie soll ich bitte einem Affen in Windeln widerstehen, der bei meinem Anblick vor Freude auf und ab hüpft? Ich mache den Käfig auf und reiche Frank ein Leckerchen aus dem Glas, das auf dem Tresen steht. Mom hat mir schon tausendmal das Versprechen abgenommen, mich auch an Franks Pflegezu beteiligen, aber ich denke wieder nicht daran, nachzuschauen, ob Frank eine neue Windel braucht. Ist mir egal, was ich versprochen habe – einem Affen die Windel zu wechseln steht eindeutig nicht auf meiner Wunschliste, weder heute noch an sonst irgendeinem Tag. Zum Glück riecht Frank im Augenblick nur nach seinem normalen Affenduft.
Pflege
Die Organisation, von der wir Frank haben, prüft die Bewerber auf Herz und Nieren, und Mom hat damals gesagt, wenn ich unbedingt ein Kapuzineräffchen haben will, muss ich die Formulare schon selber ausfüllen. Die Organisation will nämlich sicher sein, dass immer jemand zu Hause ist, und sie fanden es klasse, dass meine Mutter ihre Praxis direkt nebenan hat und mein Vater von zu Hause aus arbeitet. Dass Mom Tierärztin ist und Pedro schon seit Jahren zu ihren Patientenzählt, hat natürlich auch nicht gerade geschadet.
Bewerber
Unglaublich, aber wahr – ICH war das größte Hindernis bei der Bewerbung. Ausgerechnet das Familienmitglied, das den Affen unbedingt wollte! Die Organisation gibt keine Affen in Familien mit Kindern unter zehn Jahren, weil ein Affe genauso viel Arbeit macht wie ein kleines Kind und sie verhindern wollen, dass die Pflegeeltern überfordert werden.
Ich hab der Frau dort bestimmt tausendmal gesagt, dass ich schon zwölf bin, was so was von komplett was anderes ist als zehn, aber trotzdem hat sie sich Bedenkzeit ausgebeten. Mom nutzte das für einen Vortrag, in dem sie mir vor Augen führte, wie unreif ich die Hälfte der Zeit bin. Ich sagte,
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