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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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getreten, da biegt er auch schon um die Ecke. Beschwere mich beim Einsteigen beim Fahrer. War das denn unbedingt nötig? Mußte es denn erst so weit kommen, daß ich gegen das Häuschen trete, bis er endlich mal kommt? Geht denn in dieser Welt alles nur noch mit Gewalt? Der Busfahrer schaut mich an. Dann nickt er schuldbewußt. Ja, es stimmt, er habe die ganze Zeit schon an der Ecke gestanden und nur darauf gewartet, daß ich endlich mal gegen das Häuschen trete. Dann erst sei er losgefahren. Aber er sei letztlich auch nur ein Teil einer großen, allumfassenden Weltverschwörung. Einer Weltverschwörung, welche nur ein einziges Ziel habe, nämlich mir, wann immer es geht, das Leben zur Hölle zu machen. Über die genauen Hintergründe dürfe er leider nichts sagen, aber die Verbindungen dieser Verschwörung gingen bis ganz, ganz nach oben. CIA, Mossad, KGB, die hängen da alle mit drin und sorgen dafür, daß jedes Regal, das ich in die Wand schraube, runterkracht, jeder Joghurt immer genau eine Woche abgelaufen ist, wenn ich ihn zufällig im Kühlschrank wiederfinde, und jede Schachtel Pralinen immer direkt beim Gewicht anschlägt. Mehr noch, die ganzen Spionage-, Kalter-Krieg-und Waffenschiebertätigkeiten dieser Geheimdienste seien letztlich alles nur Tarnmanöver, um von ihrem tatsächlichen und einzigen Ziel abzulenken, nämlich mir, wann immer es geht, den Tag zu versauen…
    Ich nicke:
    - Hm. Verstehe, dann ergibt ja endlich alles einen Sinn. Bedanke mich beim Busfahrer für seine Offenheit. Er nimmt meine Hand:
    - Bitte, verraten Sie niemandem, daß ich Ihnen alles erzählt habe, ich würde sonst richtig Ärger bekommen.
    Verspreche es ihm. Ich meine, warum auch nicht. Die Wahrheit glaubt einem ja doch keiner.

Chance als Scheitern

    Neulich habe ich etwas gemacht, was ich mittlerweile wirklich viel zu selten mache. Ich hab mich mal wieder ganz in Ruhe hingesetzt und ein gutes Buch gelesen. Es war die Gebrauchsanleitung meines Videorecorders.
    Vielleicht ist es jetzt nicht direkt nachvollziehbar, warum das so erhebend war. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, daß der Videorecorder ja gerade erst kaputtgegangen ist. Irreparabel kaputt, für immer, weil: Sowas repariert dir ja heutzutage keiner mehr. War aber trotzdem interessant. Schon erstaunlich, was dieses Gerät alles gekonnt hätte. Mensch, mensch, mensch, was sich das allein alles merken konnte. Schon irgendwo schade, daß ich es nur zum direkten Aufnehmen und Abspielen genutzt habe. Wahrscheinlich hat sich der Videorecorder in der gesamten Zeit hier völlig unterfordert gefühlt. Ist wohl am Ende ziemlich verbittert gewesen, hat still in sich reingeschimpft: »Mann, mann, mann, mann, mann, wie ich dieses ewige Aufnehmen und Abspielen satt habe. Ich könnte bis zu zehn Programmierungen gleichzeitig ausführen, im Monatlich-, Wöchentlich-, Täglich-, Stündlich-Modus, mit Timer, Showview, VPS, was de willst, Weckfunktion, Kindersicherung, sogar Passwörter kann ich mir merken, aber nix, nix, nix, nix, nix… Er benutzt immer nur die fünf oberen Tasten. Oh, diese Flasche! Ich mag bald nicht mehr…«
    Ob ihn das wirklich ins Grab gebracht hat? Diese ständige Unterforderung? Weiß noch, wie ich vor Monaten mal versehentlich auf die Einstellungs- und Programmierungstaste auf der Fernbedienung gekommen bin.
    Hui, da war was los. Wie aufgeregt der war. Was der mir nicht alles vorgeschlagen hat. Und hier noch ’ne Idee, und da noch’n Menü und »hallo, hallo, hallo, das könnte ich auch noch«. Überhaupt nicht mehr zu bremsen war er da. Wußte mir dann nicht anders zu helfen, als den Stecker zu ziehen und ihn erst zwei Tage später, nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte, wieder einzustecken. Danach war er einfach nicht mehr derselbe. Vielleicht hat ihm das letztendlich den Lebensmut genommen. Und jetzt ist es ganz vorbei.
    Wie viele meiner Geräte wohl noch völlig unterfordert sind? Wahrscheinlich alle. Also bis auf den Eierkocher, denn den benutze ich ja überhaupt nicht. Der weiß gar nicht, wie das ist, mal Strom zu kriegen, eingeschaltet zu werden oder so. Der kennt das nicht anders, der denkt sich nix dabei.
    Auf meinem Handy gibt es Menüleisten, auf denen noch nie zuvor ein Mensch gewesen ist. Wenn Außerirdische mal geheime, hochentwickelte, alle Probleme lösende Technologie auf der Erde verstecken wollen, sollten sie dies auf den unteren Menüleisten meines Handys tun. Dort wird nie jemand davon erfahren. Wahrscheinlich haben sie das

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