Mein Leben als Superagent
Studio-Kantine zu Mittag essen, schaue ich mir seine Skizzen an. Das sind nur so ganz einfache Strichzeichnungen, ähnlich wie die Dinger, die ich von meinen Vokabeln mache, aber mit Hintergrund und aus verschiedenen Blickwinkeln gezeichnet.
Am Nebentisch schaufelt sich eine Schauspielerin, auf deren Armen künstliches Blut klebt, einen Salat rein. Ich muss lachen, aber Dad beachtet sie gar nicht; er schaut die ganze Zeit den Mann an ihrer Seite an, einen jungen Typen mit einer coolen Brille und Ziegenbärtchen. Dann schaut Dad auf seine Skizzen runter und wirkt auf einmal total traurig. Ich frage ihn, was los ist.
Ziegenbärtchen
»Die werden immer jünger«, sagt er.
»Die Schauspieler?«
Er schüttelt den Kopf. »Die Zeichner. Die bringen schon gleich nach dem Schulabschluss jede Menge Erfahrung in Animationstechniken mit. Wird immer schwerer, da mitzuhalten.« Er schiebt seine Zeichnungen unter seine Jacke, die auf dem Stuhl neben ihm liegt.
Animation
Ich weiß jetzt schon, dass die Unterhaltung gleich auf mich umschwenken wird. Das passiert immer, wenn man Einzelkind ist.
»Deswegen ist es so wichtig, dass du gut in der Schule bist und immer dranbleibst. Der Arbeitsmarkt ist ein hartes Pflaster.«
Ich würde ihn gern dran erinnern, dass ich erst zwölf bin, aber er sieht so deprimiert aus, dass ich es lieber lasse. Auf dem Heimweg verzichte ich sogar darauf, ihn zu bitten, kurz beimComicladen anzuhalten, weil ich Angst habe, dass ihn das noch mehr runterzieht.
Später, als Dad vor den Fernsehnachrichten auf der Couch eingeschlafen ist, kommt mir eine Idee. Ich greife mir einen der Filzstifte von seinem Schreibtisch und verschönere Dad so, dass er viel jünger aussieht. Mein Vater hat einen Schlaf wie ein Riesenmammutbaby und wacht erst auf, als Mom ins Zimmer kommt und zu schreien anfängt.
»Derek! Was machst du da?«
»Meine künstlerischen Fähigkeiten ausbauen.«
Sie fängt an zu lachen, als sie Dads Gesicht sieht, aber dann reißt sie entsetzt die Augen auf. Ich folge ihrem Blick zu meiner Hand: Der Stift ist nicht abwaschbar. Das haut mich doch ein bisschen um. Mein Vater steht aufund schaut sich im Wohnzimmer sein Spiegelbild an.
umhauen
Spiegelbild
»Derek Martin Jeremy Fallon, jetzt bist du aber wirklich zu weit gegangen!«, sagt Mom.
»Ich wollte Dad doch nur helfen, mit der jungen Konkurrenz mitzuhalten.«
Mein Vater starrt auf die langen, breiten Koteletten, die ich ihm aufgemalt habe, und den halben Schnurrbart. »Sieht eigentlich gar nicht so übel aus.«
»Jeremy!«, kreischt Mom. »Jetzt ermutige ihn nicht auch noch!« Damit rennt sie in die Küche und kommt mit einem Geschirrtuch zurück, aber die neue Gesichtsbehaarung meines Vaters wird sich so schnell nicht verabschieden lassen.
ermutigen
Mom rubbelt ihm so heftig übers Gesicht, dass ich mich frage, ob er hinterher vielleicht ein künstliches Gebissbraucht. Während ich in mein Zimmer hochgehe, mache ich in Gedanken eine Liste mit coolen Sachen, die man mit so einem Gebiss anstellen könnte.
Gebiss
Als mein Vater am nächsten Morgen runterkommt, muss ich mich echt zusammenreißen, um nicht loszulachen. Von den Koteletten, die ich ihm aufgemalt hab, ist noch einiges zu sehen, und er hat ein schwarzes T-Shirt an, das ihm viel zu klein ist. Außerdem hat er sich mit dem Haargel meiner Mutter gestylt, sodass ihm die Haare wild nach allen Seiten abstehen. So lustig er auch aussieht – sein Versuch, möglichst cool zu wirken, macht mich irgendwie traurig. Jetzt bin ich dran, ihm Ratschläge zu geben.
»Mach dir keine Sorgen wegen dieser jungen Typen, die dir die Aufträge wegnehmen«, sage ich. »Du bist ein toller Illustrator. Mach einfach das,was du mir geraten hast – bleib immer am Ball.«
Er schaut mich an, als hätte ich tatsächlich was Sinnvolles gesagt und nicht einfach das Zeug wieder hochgewürgt, mit dem er mich immer zutextet. »Du hast absolut recht. Also, diesen Sommer werden wir beide uns mal richtig ranhalten.«
hochwürgen
Und da wird mir plötzlich klar, was mein Versuch, Dad zu helfen, mir soeben eingebracht hat: noch mehr Arbeit. Wie heißt es so schön: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße. Es stimmt – wenn man zu nett ist, brockt man sich selber nur Mist ein.
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Ich pflücke für Matts Mutter einen Strauß Roter Sonnenhut aus Mr Parkers Garten, damit sie mich mit in Urlaub nimmt. Außerdem fege ich mit Matt zusammen den Bordstein vor ihrem
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