Mein Leben als Superagent
größten Avocadobatzen inzwischen von der Auffahrt weggefressen.
Der Nächste, der auf der Veranda auftaucht, ist mein Vater. Einer der Vorteile an einem Vater, der von zu Hause aus arbeitet, besteht darin, dass er immer da ist. Das ist aber leider gleichzeitig auch einer der Nachteile.
Er legt eine Packung mit großen Mülltüten auf die Treppe. »Ihr zwei hattet bestimmt vor, die ganze Blumenerde wieder aufzuräumen, stimmt’s?«
»Stimmt«, tun Matt und ich so, als würden wir ihm recht geben.
Dad holt einen Zehn-Dollar-Schein aus seiner Brieftasche und stecktihn unter die Schachtel. »Und danach geht ihr dann los und kauft neue Avocados.«
Er redet noch eine Weile weiter, aber Matt und ich haben nur den Zehn-Dollar-Schein im Blick, auf dem unsere Namen stehen. Ich denke an sieben, vielleicht sogar acht Schokoriegel in XXL, und ich wette, Matt denkt an genau dasselbe. Als mein Vater endlich wieder ins Haus geht, hechten Matt und ich nach dem Geld. Er ist schneller.
»Eine Riesentüte Popcorn, ein Kübel Eiscreme und eine Schachtel Muffins mit Streuseln drauf?« Er wedelt mit dem Schein nach mir, als wäre der ein Handtuch, mit dem wir uns nach dem Sportunterricht immer beklatschen.
Wir fahren mit den Skateboards zum Supermarkt, und ich frage den Mann in der Obst- und Gemüseabteilung, ob er Avocados im Angebot hat. Er holt ein paar aus dem Lagerraum, die viel billiger sind als die in der Auslage. Damit haben Matt und ich genug Geld übrig für eine Halbliterpackung Schokokaramelleis. Wir holen uns Besteck und Servietten von der Salatbar und setzen uns dann hinter dem Laden auf unsere Skateboards, um das Eis zu essen.
Gemüse
Besteck
»Rate mal, was Mom beschlossen hat, wohin wir diesen Sommer fahren«, sagt Matt.
Ich zucke mit den Schultern und bohre der Karamell-Ader nach, die sich an der Innenseite der Eispackung entlangwindet.
»Nach Martha’s Vineyard. Ist nicht das Mädchen aus deinem Zeitungsartikel da ertrunken?«
Auf einmal beneide ich Matt um seine Urlaubspläne. Nicht weil er mitseiner Familie wegfährt und wir nicht, sondern weil er damit einem echten Abenteuer einen großen Schritt näher sein wird als ich.
»Frag doch deine Mutter, ob ich mitkommen darf. Wir haben dich letztes Jahr doch auch mit nach San Francisco genommen, weißt du noch?« Weil ich Einzelkind bin, darf ich öfter mal Freunde mit in die Ferien nehmen. Manchmal nehme ich Matt mit, manchmal nur Bodi.
Matt versucht die Karamell-Ader an sich zu reißen, indem er mit seinem Löffel gegen meinen fechtet. Irgendwann nehme ich meinen Löffel weg und lasse seinem den Vortritt.
fechten
»Okay, ich frag sie, ob du mitkannst. Aber das sind dreitausend Meilen bis nach Martha’s Vineyard. Ich weiß nicht, was sie davon halten wird.«
Ich schicke direkt aus meinem Kopfein Stoßgebet in Richtung Matts Mutter. Sag Ja. Ich werde auch ganz brav sein. Sag Ja. Ich werde auch ganz brav sein.
Zu Hause tatscht Mom an den neuen Avocados herum und sagt, sie seien überreif und wären innen bestimmt schon braun. Sie fegt sie vom Küchentresen in den Mülleimer, dann wischt sie mir mit einem Geschirrtuch den Schokoladenschnurrbart weg. Sie ist dabei nicht gerade zimperlich, aber ich beschwere mich mit keinem Wort. Zum Abendessen gibt es was vom Chinesen-Lieferdienst, aber darüber beschwere ich mich auch nicht. Ich pikse den Zettel aus meinem Glückskeks mit einer Reißzwecke an die Pinnwand in meinem Zimmer: EINE GESCHICHTE WIRD SICH VOR DIR ENTFALTEN. Dann schlüpfe ich unter die Decke und hoffe, dass dieProphezeiung sich erfüllt. Wenn ich die Leute in der Glückskeksfabrik doch nur dazu bringen könnte, auch meinen Sommeraufsatz zu übernehmen.
Schnurrbart
Und dann richte ich alle Aufmerksamkeit auf meinem neuen Plan: Matts Mom dazu zu kriegen, dass ich sie nach Martha’s Vineyard begleiten darf.
begleiten
Armer Dad
Trotz Sommerferien hab ich nichts dagegen, mit meinem Vater zu seiner Arbeit zu fahren. Er ist Zeichner und macht Storyboards für Filme und heute arbeitet er mit einem Regisseur zusammen, der einen Horrorstreifen dreht. Echt cool, den Tag an einem Filmset zu verbringen, auf dem haufenweise falsche Körperteile und Kettensägen rumliegen. Während Dad mit dem Regisseur darüber spricht, wie der die Storyboards haben will, nerve ich immer wieder den Requisiteur, er soll mir das Rezept für künstlichesBlut verraten. Er lacht, weiht mich aber nicht in sein Geheimnis ein.
haufenweise
Als Dad und ich in der
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