Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
ich hinfahre, und dann sind wir auch schon draußen und rollen mit unseren Rädern über die ferienverlassenen Straßen raus aus der Stadt.
Es ist ein wunderschöner Sommertag, nicht zu heiß, ein bisschen windig. Genau richtig.
Der Wind spielt mit meinen Haaren. Ich spüre die Sonne auf meiner Haut und muss plötzlich lächeln. Ich denke an die Nacht zurück, in der ich fünfzehn geworden bin. Es kommt mir vor, als wäre es ewig lange her. Aber ich weiß noch genau, dass ich mich damals gefragt habe, was wohl der Unterschied zwischen vierzehn und fünfzehn ist. Ob es überhaupt einen gibt, und wenn ja, welchen. Inzwischen kenne ich ihn. Oder vielleicht ahne ich ihn auch nur. Ich weiß nicht so genau. Auf jeden Fall hört es sich bestimmt total blöd an, aber ich glaube, mit fünfzehn ist das Leben irgendwie schöner. Es ist zwar nicht mehr alles so leicht und locker und unbeschwert wie früher, aber dafür viel, viel intensiver. Bunter, kräftiger, lebendiger. Es ist echt schwierig zu beschreiben, aber man sieht die Welt mit anderen Augen. Nicht alles, und auch nicht alles auf einmal, logo, aber nach und nach.
Keine Ahnung, ob sich Erwachsensein so anfühlt – erwachsen bin ich schließlich noch lange nicht – , aber ein bisschen näher dran fühle ich mich auf jeden Fall. Es ist ein komisches, irgendwie vages Gefühl, an das ich mich erst mal gewöhnen muss. Aber ich schaff das, da bin ich mir sicher. Auch wenn ich manchmal heulen muss, weil mein Leben nicht so will wie ich. Das gehört anscheinend dazu.
Über unseren Köpfen brummt ein Flugzeug. Ich hebe den Kopf und beobachte es eine Weile, sehe den weißen Kondensstreifen und wie er langsam zerfasert. Natürlich muss ich sofort an Phillip denken. Ich muss ständig an ihn denken. Von den vierundzwanzig Stunden, die ein Tag hat, denke ich bestimmt dreiundzwanzigeinhalb Stunden plus dreißig Minuten an ihn. Es geht nicht anders.
An einer Kreuzung hält ein VW -Bus neben uns. Krischan und Lena.
Lena lehnt sich aus dem heruntergekurbelten Fenster und winkt uns zu. „ Bonjour, mes amis! Wohin fahrt ihr?“
„An den See!“
„Cool! Wir kommen gleich nach! Wir müssen nur noch ein paar Gemüsekisten ausliefern!“
Krischan drückt auf die Hupe, Lena winkt, dann biegen sie und ihr Biogemüse ab.
Lächelnd fahre ich weiter. Sieht aus, als hätte Lena nicht nur ihren Traumtypen, sondern auch ihren Traumjob gefunden. Genau wie ich. Also, das mit dem Traumtypen jedenfalls. Was den Traumjob angeht, bin ich mir noch nicht so sicher. Die Wahl zwischen Badeaufsicht und Eisverkäuferin fällt mir echt schwer. Aber das krieg ich auch noch hin. Wetten?
In einem halben Jahr ist Phillip wieder da. Und wisst ihr, was? Es geht mir gut, richtig gut. Ich hätte echt nicht gedacht, dass ich’s überleben würde. Aber ich schaff das. Das verspreche ich mir.
Ich stöpsele meine Ohrhörer ein und schalte den iPod in meiner Tasche an. Muss nur noch kurz die Welt retten, danach flieg ich zu dir …
Als ich wieder in den Himmel schaue, ist das Flugzeug verschwunden.
Wohin es wohl unterwegs ist? Vielleicht nach Kalifornien?
Ich wünschte, ich hätte Flügel, dann könnte ich hinterherfliegen. Aber so, wie ich mich gerade fühle, brauche ich die gar nicht. Mir steht die ganze Welt offen. Ich kann auch ohne Flügel fliegen. Das weiß ich jetzt.
Ich nehme die Hände vom Lenker, breite die Arme aus und lache. Es fühlt sich gut an. Frei.
*
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