Mein Leben in 80 B
ihre Erklärungen, als die Kellnerin mit unseren Getränken kam.
«Zwei Champagner, bitte schön. Haben Sie schon gewählt?»
«Was können Sie denn empfehlen?»
Ich kam mir vor wie in einem Sketch mit Dieter Hallervorden. Dann hätte die Kellnerin aber so etwas sagen müssen wie: «Gar nichts.» Oder: «Ich kann Ihnen dringend empfehlen, ein anderes Restaurant aufzusuchen.» Aber Elissa hatte mit ihrer Einschätzung richtiggelegen. Das Personal hier war professionell und kompetent.
«Als Vorspeise bieten wir heute zusätzlich Rote-Bete-Suppe mit Räucherente oder Lachs-Ceviche, wahlweise auch Blutwurstsalat mit Wachtelei.»
«Ist die Wurst hausgemacht?»
«Nein, die kommt von unserer Hausschlachterei in Brandenburg, ist mit Majoran und Thymian gewürzt und leicht angeräuchert.»
Elissa vertiefte sich wieder in die Karte. Die Kellnerin gab so leicht nicht auf. «Für den Hauptgang empfiehlt der Küchenchef Miesmuscheln in Kokosbrühe mit hausgebackenem Brot oder Glattbutt mit Sahnewirsing und Speck.» Sie machte eine kurze Pause, um dann zu ergänzen: «Und als Dessert haben wir gebackene Nektarinen mit Amaretto-Sahne oder weiße Schokomousse mit Kirschen.» Sie hielt erneut inne, um die Bestellung abzuwarten. Ich wurde gar nicht beachtet. Die «Frau Wirtschaft» hatte schon kapiert, dass ich lediglich Beiwerk war und die zickige Dame in Beige das Sagen hatte.
Und die hatte sich endlich entschieden. «Na, ländermäßig geht das aber bei Ihnen kreuz und quer, junge Frau. Norddeutschland, Peru, Italien, Brandenburg. Ist ja alles vertreten. Ist Ihr Koch so weit herumgekommen?»
«Das ist er allerdings. Unser Küchenchef hat in den vergangenen Jahren auf einem Kreuzfahrtschiff gekocht und überall auf der Welt die Inspirationen gesammelt, die Sie auf unserer Speisekarte wiederfinden.»
Elissa zog die Augenbrauen hoch. Sie schien tatsächlich beeindruckt zu sein. «Gut, dann wagen wir mal eine kleine kulinarische Weltreise: als Vorspeise bitte einmal die Rote-Bete-Suppe und einmal die Sardinen vom Grill mit Gremolata. Dann bitte einmal das Hirschsteak mit süßsaurer Paprika …»
«Oh, das tut mir leid. Hirsch ist heute nicht auf der Karte.»
«Ach so? Na, dann das Rindersteak mit Steckrüben und einmal die Wachteln. Das Dessert suchen wir später aus, lassen Sie uns doch bitte eine Karte hier.»
«Haben Sie noch einen Getränkewunsch? Einen Wein? Eine große Flasche Wasser?» Die Kellnerin nahm mir meine Speisekarte wieder ab und sah Elissa fragend an.
«Ja, eine Flasche Wasser. Und dann schicken Sie uns doch bitte Ihren Sommelier.»
«Das tut mir leid, meine Dame. Wir haben keinen hauseigenen Sommelier. Aber im hinteren Teil der Speisekarte finden Sie die Weine, und ich schicke Ihnen gleich den Kollegen, der bei uns für den Wein-Einkauf zuständig ist, wenn Sie sich beraten lassen möchten.»
«Sehr gerne.»
Fast hätte ich mich an meinem letzten Schluck Champagner verschluckt, denn kaum hatte die Kellnerin sich umgedreht, legte Elissa richtig los. Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und lief vor Aufregung hellrot an.
«Ich glaube, ich spinne, das sah alles so gut aus, und nun haben die hier nicht mal jemanden für den Wein? Soll denn diese unterqualifizierte Studentin mir sagen, ob zu den Wachteln besser ein leichter Pinotage oder eine Riesling-Spätlese passt? Wie dumm, wie dumm. Da machen die sich die ganze schöne Kellnerarbeit gleich wieder kaputt.»
«Guten Abend, mein Name ist Jens. Meine Kollegin sagte mir, Sie wünschten Unterstützung bei der Wahl des richtigen Weins zu Ihrem Essen?»
Der herbeigeeilte Kollege lächelte mich verbindlich an. Der Altersdurchschnitt der Angestellten lag hier wohl deutlich unter dem der Weine. Nach meiner Einschätzung war der «Fachmann» für Spirituosen gerade erst in dem Alter angekommen, in dem man ungestraft Alkohol trinken durfte. Wie sollte so jemand Erfahrung in Sachen Wein mitbringen? Ich sah schwarz für diesen Laden. Aber Elissa war voll in ihrem Element.
«Das wäre wunderbar. Also, zum einen haben wir als Hauptgang die Muscheln, zum anderen Wachteln. Halbe Flaschen bieten Sie ja nicht an, haben Sie vielleicht eine Empfehlung, was zu allem passt?»
Der junge Weinkenner ließ sich so leicht nicht aus der Ruhe bringen. «Selbstverständlich. Da in Ihrem Menü auch Räucheraromen zu finden sind, rate ich zu einem Frühburgunder. Zum Beispiel kann ich Ihnen den Alpha & Omega vom Deutzerhof empfehlen. Oder Sie versuchen es mit dem
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