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Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Titel: Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damien Echols
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Ereignisse, die in der Außenwelt Stoff für Legenden bieten würden, hier am nächsten Tag schon vergessen sind. Dinge, die in der Außenwelt Schlagzeilen machen würden, finden hinter diesen dreckigen Mauern höchstens flüchtige Beachtung. Als ich 1994 in den Hochsicherheitstrakt in Tucker, Arkansas, eingeliefert wurde, haute es mich um. Nach mehr als zehn Jahren hinter Gittern bin ich » gefängnis-alt « , und was ich hier sehe, beeindruckt mich nicht mehr so sehr. Wenn man ein Wort mit dem Zusatz » gefängnis- « versieht, definiert man es neu. » Gefängnis-alt « kann man schon mit dreißig sein. » Gefängnis-reich « ist ein Mann, der hundert Dollar oder mehr besitzt. In der Außenwelt gilt ein dreißigjähriger Mann mit hundert Dollar in der Tasche weder als alt noch als reich. Hier drin sieht die Sache völlig anders aus.
    Am Abend meiner Ankunft im Todestrakt kam ich in eine Zelle zwischen die zwei hasserfülltesten alten Scheißkerle auf der ganzen Welt. Der eine hieß Jonas, der andere Albert. Beide waren Ende fünfzig, und körperlich hatten sie schon bessere Tage gesehen. Jonas hatte nur ein Bein, Albert nur ein Auge. Beide waren krankhaft fett, und ihre Stimmen hörten sich an, als hätten sie aus dem Aschenbecher gegessen. Diese beiden Männer hassten einander mehr, als man in Worte fassen kann, und sie wünschten sich gegenseitig den Tod.
    Ich war noch nicht lange da, als der Typ, der den Boden wischte, kurz stehen blieb und mir einen Zettel reichte. Dabei sah er mich merkwürdig an, als wollte er etwas sagen und hätte es sich dann anders überlegt. Ich verstand sein Benehmen sofort, als ich den Zettel auseinanderfaltete und anfing zu lesen. Er war mit » Lisa « unterschrieben und enthielt eine detaillierte Beschreibung der verschiedenen Arten, auf die » sie « mir eine wunderbare Freundin sein würde, wozu auch » ihr « sexuelles Repertoire gehörte. Ich war verblüfft, denn ich saß in einem Männergefängnis und hatte hier noch niemanden gesehen, der aussah, als höre er auf den Namen Lisa. Am unteren Rand des Blattes stand noch eine kurze Zeile. » PS : Bitte schick mir eine Zigarette. « Ich warf den Zettel vor Alberts Zelle und sagte: » Lies das und sag mir, ob du weißt, wer das ist. « Nach einigen Augenblicken hörte ich eine Explosion von bösartigen Flüchen und Schimpfwörtern, und dann erklärte Albert: » Das ist von dieser alten Nutte Jonas. Der Penner tut alles für eine Zigarette. « Lisa war also ein fettleibiger sechsundfünfzigjähriger Mann mit nur einem Bein. Ich schüttelte mich vor Ekel.
    Wie sich herausstellte, würde Jonas für eine Zigarette wirklich alles tun. Er war absolut pleite und hatte keine Freunde oder Verwandten, die ihm Geld schickten, und deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als Kunststücke zu machen, um seine Gewohnheiten zu befriedigen. Er war schwer gestört, und ich glaube, ihm gefiel auch der Masochismus, der dabei im Spiel war. Zum Beispiel trank er einmal eine Halbliterflasche Urin für eine einzige handgedrehte Zigarette. Ich könnte kaum sagen, wer da mehr zu leiden hatte – Jonas oder die Leute, die ihm beim Röcheln und Würgen zuhören mussten. Bei anderer Gelegenheit stand er unter der Dusche und schob sich ein Stuhlbein in den After, während der ganze Trakt zuschaute. Der Lohn dafür war eine Zigarette. Und es waren nicht mal Markenzigaretten, sondern handgedrehte aus No-Name-Tabak, die einen Penny das Stück kosteten.
    Wie gesagt, Jonas war kein besonders gefestigter Charakter. Ich rede von einem Mann, der sich die Zähne in fluoreszierendem Pink und Lila lackierte und der Buntstiftminen zermahlte, um sich daraus Lidschatten zu machen. Der eine Fuß, den er noch hatte, war verschlissen und abstoßend, und die Zehennägel sahen aus wie Cornflakes. Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen bestand darin, mit einer Chilisaucenflasche Oralsex zu imitieren. Einmal verkaufte er sein Bein (die Prothese) an einen anderen Insassen und erzählte dann den Wärtern, der Mann habe es ihm gewaltsam weggenommen. Der andere Häftling rächte sich, indem er Jonas Rattengift in den Kaffee schüttete. Dass etwas nicht stimmte, merkten die Wärter, als Jonas Blut erbrach. Er war der meistverabscheute Mann im Todestrakt, gemieden von allen anderen Häftlingen. Ein wahrer Fürst des Strafvollzugs. Man trifft hier nicht viele Gentlemen, aber Jonas fiel selbst in dieser Umgebung auf.
    Glauben Sie jetzt bloß nicht, dass Albert im Vergleich dazu ein

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