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Mein letzter Tampon

Mein letzter Tampon

Titel: Mein letzter Tampon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika von Ramin
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fährt sie ständig was ganz Kultiviertes auf. Sie ist die Hüterin des Heiligen Grals „Was man tut und was man nicht tut“, sie ist die Erfinderin des Stils. Aber ganz tief innen drin ist sie ein süßes, spießiges Mädel vom Land, das gern auf einer Bauernhochzeit tanzt und im Gemeindeheim zusammen mit Mutti Selbstgehäkeltes für hungernde Kinder verkauft. Um wie viel glücklicher könnte sie leben, wenn sie sich auch in ihrer großen Stadt mal ein paar kleine Spießigkeiten erlauben würde. Und um wie viel sympathischer würde es sie machen, wenn man zwischen Hesse und Sartre vielleicht Johannes Mario Simmel oder Johanna Spyri finden würde. Oder neben Beethoven und Verdi Michael Holm. Und um wie viel mehr würde sie ein kultivierter Mann für ihre kleinen Echtheiten lieben. Aber dafür müsste sie erst mal aufhören zu lügen.

Der Gutmensch
    Und dann haben wir da die 52-jährige Lehrerin. Sie ist ein bisschen übergewichtig und überzeugte Anhängerin der Friedensbewegung. Die lebenslängliche Betroffenheit ist ihr ins Gesicht gegraben und lässt sich auch mit der besten Kosmetik aus dem Bioladen nicht mehr vertuschen. Auch das Biofleisch und die Biokarotten helfen nicht, ihren Frust zu besänftigen, die frauenbewegten Bücher machen sie tagtäglich wütender.
    Nur das Bewusstsein, ein Gutmensch zu sein, hält sie davon ab, ihrer Nachbarin den Mercedes zu zerkratzen. Wenn sie mit ihrem Fahrrad unterwegs ist, scheinen die Straßen leergefegt, denn sie wird nie müde, Falschparkern den rechten Weg zu weisen. Sie ist überzeugtes Mitglied der Grünen, setzt sich ein für Umweltschutz und kämpft gegen Tierquälerei. In diesem Sinne hat sie auch ihre Tochter erzogen, die ihren Job als hoffnungsvolle Jungmanagerin in einem Atomenergiekonzern zugunsten der Mutterschaft aufgegeben hat. Unsere Lehrerin fand beides nacheinander ungeheuerlich, den Job ihrer Tochter genauso wie die Tatsache, dass diese später nur Mutter sein wollte. Wofür hat sie schließlich ihr Leben lang gekämpft?
    Mit ihrem Mann führt sie eine Wochenend-Ehe, da sie dieses Lehramt nun mal nicht in Frankfurt bekommen hat. Ihre Selbstverwirklichung ist komplett. Oder? Ist sie nicht die Erfinderin der Moral und der Definition von political correctness? Und dann treffen wir diese Frau ganz zufällig im Urlaub in Afrika. Anstatt gegen Rassentrennung zu wettern, rennt sie rum mit einer Blüte im Haar und einer Südseetoga, flirtet schamlos mit einem Jungen, der halb so alt ist wie sie, und abends zieht sie sich die Caipirinhas rein. Dabei wird sie albern wie eine Vierzehnjährige und ihr Kleinmädchenlachen schallt, wenn sie nachts barfuß über den Strand läuft, durch die gesamte Hotelanlage. Natürlich hat sie diesen Urlaub ohne ihren Mann gemacht, Frau will ja auch mal was erleben. Prima.
    Stell dir also mal vor, während dieses sündigen Urlaubs lernt unsere 52-jährige Lehrerin einen tollen Mann kennen, der auf fröhliche, lebenslustige Frauen steht. Liebe Güte, stell dir den Schock vor, wenn er sie zuhause erleben würde. Dabei könnte sie zuhause durchaus auch ab und zu ein bisschen ausflippen, mal etwas ganz Sündiges tun, zum Beispiel mal Taxifahren. Aber sobald sie zuhause ist, steht wieder Kampf auf dem Stundenplan.

Die Mutter der Nation
    Sie betüttelt alles und jeden. Bei unserer 54-jährigen Freundin kann man sich ausweinen. Sie hat drei Kinder, zwei Enkel, unzählige Freundinnen und Freunde. In ihrem Leben passieren ständig Katastrophen. Natürlich nicht mehr in ihrem eigenen, denn das läuft inzwischen in ziemlich langweiligen Bahnen. Ihr Job als Angestellte bei der BfA ist eher unaufregend und ihr Mann ist vor fünf Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
    In ihrer großen Wohnküche treffen sich regelmäßig die Familie, die Freunde, die Freunde der Familie und die Freunde der Freunde. Und lassen die Katastrophen bei ihr. Unsere Freundin kocht Eintopf, heilt gebrochene Herzen und gebrochene Pfoten aller möglichen Vierbeiner, flickt überzogene Bankkonten und gebrochene Beziehungen und macht sich bereits im April auf die Suche nach passenden Weihnachtsgeschenken. Wenn sie Zeitung liest, dann findet sie für jeden den passenden Artikel, schneidet ihn aus und archiviert die Artikel, damit sie beim nächsten Besuch darauf zurückgreifen kann. Oder sie schreibt schnell einen netten kleinen Brief: Schau mal, was ich gerade gefunden habe.
    Zwischendurch pflegt sie per E-Mail ihre Freundschaften, man findet ihre trostreichen

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