Mein letzter Tampon
Strategie: Ihr habt Gäste. Kaum macht dein Süßer den Mund auf, verbesserst du ihn. Okay, er hat sich geirrt, ihr habt euch nicht auf Capri, sondern auf Korfu kennen gelernt, aber ist das wirklich so wichtig? Er erinnert sich doch so genau an den fürchterlichen Kater, den ihr beide nach dieser Flasche Chianti hattet. Wenn du jetzt auf Retsina bestehst, dann ist nicht nur der Abend gelaufen. Wenn du dann allerdings auch noch zum Besten gibst, dass er immer so einen Scheiß erzählt und du allmählich erste Anzeichen von Alzheimer bei ihm befürchtest, und dich mitleidheischend bei euren Freunden über seine mangelnde Zuneigung beklagst, dann kann dir wirklich keiner mehr helfen. Wenn der Kerl dich nicht in die Wüste schickt, ist er ein Idiot. Und das ist wohl das Letzte, was du brauchst.
Erkenne dich selbst
Du willst eine ehrliche Beziehung zu einem Mann, willst dich nicht verstellen, sondern so geliebt werden, wie du bist. Okay. Nur zu. Wie bist du denn? Was unterscheidet dich von der schönen Nachbarin? Was hast du zu bieten, was seine Sekretärin oder die kleine Kollegin nicht zu bieten haben? Und vergiss jetzt alles Unehrliche, was du dir so im Laufe deines Lebens zusammengereimt hast. Wer bist du?
Liebe Freundin, wir sind jetzt in einem Alter, in dem wir langsam aber sicher wieder zu uns selbst zurückkehren sollten. Und nicht mit viel Geld, Mühe und Liebe einen anderen Menschen aus uns machen zu wollen. Du verstehst nicht, was ich meine? Na, dann werde ich dir mal ein paar Mädels vorstellen:
Die Kultivierte
Sie ist fünfzig und fühlt sich topp, jedenfalls nachdem sie mit viel Mühe ihren Geburtstag überstanden, den Kater auskuriert und die 60-Watt-Lampe am Schminkspiegel durch eine 40-Watt-Birne ausgetauscht hat. Diese Frau ist rundum kultiviert, bis in die Fußspitzen. Selbst wenn sie allein ist, trägt sie Negligé, sie würde nie ohne Fußpflege außer Haus gehen. In ihrem Bücherschrank stehen Thomas Mann und John Updike, Hermann Hesse und Jean-Paul Sartre. Sie liebt italienische Opern und deutsche Symphonien, sie isst am liebsten Japanisch und Italienisch und sammelt moderne Skulpturen. Sie hat kein Gramm Fett zu viel und ihr Haar zeigt nie die Spur eines Färbeansatzes.
In letzter Zeit fährt sie immer öfter zu ihren Eltern aufs Land, ab und zu nimmt sie auch mal ihre Freunde mit. Und plötzlich lernen wir diese rundum kultivierte Frau von einer ganz anderen Seite kennen. Sie stürzt sich begeistert auf Muttis Hackbraten und die eingemachten Grünen Bohnen, trinkt gleichmütig Kröver Nacktarsch und sieht ihrer Mutter dabei so ähnlich, dass es fast wehtut. Nach dem dritten Glas Kröver Nacktarsch schmettert sie zusammen mit den Nachbarn „Es fährt ein Zug nach nirgendwo“, zwölfstimmig, und fegt die Asche ihrer Zigarette von der Wachstuchtischdecke.
Während sie zu Hause in italienischem Design mit leichtem Antiquitäteneinschlag wohnt, stört sie bei ihren Eltern die Teakholzschrankwand irgendwie überhaupt nicht. Wenn man sie, ganz dezent natürlich, fragt, wie sie das denn aushalte, wird sie sauer und philosophiert über das einfache Leben an sich und die Geborgenheit der Gemeinschaft, die in unseren Städten so überhaupt nicht mehr zu finden sei. Weißt du, sagt sie, hier ist alles irgendwie echt.
Nun stellen wir uns mal vor, diese rundum kultivierte Frau lernt einen rundum kultivierten Mann kennen und nimmt ihn mit zu ihren Eltern. Wir haben zwei Möglichkeiten: Entweder, der rundum kultivierte Mann versohlt ihr den Hintern, fordert lauthals mehr Hackbraten und Grüne Bohnen oder er lässt sich nie wieder blicken.
Wenn er ersteres tut, dann wahrscheinlich aus folgendem Grund: Auch er hat Eltern mit Teakholzschrankwand und Wachstuchtischdecke, mag gern mal alte deutsche Schlager singen und hat eine Vorliebe für Hackbraten und eingemachte Grüne Bohnen. Das entspricht so in etwa seiner Vorstellung von Geborgenheit.
Oder aber er stammt aus einem Milieu, das dem bürgerlich-kultivierten Erscheinungsbild seiner neuen Freundin in etwa entspricht. Dann kann er das Ganze nur als Zoobesucher betrachten und verständnislos die Nase rümpfen. Ob er je mit ihr eine wirklich gute Beziehung haben wird, steht in den Sternen. Denn unsere Freundin hat selbst mit fünfzig immer noch nicht den Mut, ihre eigenen kleinen Abgründe, ihren Hang zur Spießigkeit zu sehen. Anstatt zu Hause mal Hering in Tomatensauce zu essen, sich in ein Flanellnachthemd zu werfen und dabei genüsslich zu grunzen,
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