Mein Mann der Moerder
war oft lachend aus dem Bett gesprungen, verfolgt von Tobias, der mich im Bad einholte. Unter dem warmen Wasserstrahl der Dusche hatten wir weitergevögelt und so laut gekichert, dass der verwitwete Lehrer mit dem Besenstil an die Decke klopfte.
Aus dem Radiowecker besäuselte ein Schlagersänger die große Liebe. In meinem Hals schwoll ein Kloß. Mir blieb nichts anderes übrig, als tapfer zu sein. Schließlich konnte ich nichts dafür, war in gewisser Weise auch ein Opfer dieses Mannes. Ich konnte mich jetzt nicht gehen lassen. Es reichte, dass ich auf der Flucht vor der Presse tagelang nicht hatte arbeiten können.
Lorenz, mein Chef, den ich insgeheim immer für einen aalglatten, herzlosen Emporkömmling gehalten hatte, war sehr verständnisvoll gewesen. »Nimm dir alle Zeit, die du brauchst«, hatte er am Telefon gesagt, nachdem ich ihm vorgestottert hatte, was passiert war.
Doch nun musste ich wieder funktionieren. Ich schwang mich aus dem Bett, zog meine Klamotten aus und eilte ins Badezimmer. Auch dort herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Das Fingerabdruckpulver lag wie Puderzucker auf den teuren Steinmosaikfliesen, die Tobias und ich gemeinsam ausgesucht hatten. Die Schranktüren standen offen. Auf dem Fußboden lagen Kosmetika und Handtücher verstreut, die die Beamten aus den Schränken gerissen hatten.
Mit dem nackten Fuß schob ich die Sachen beiseite und bahnte mir einen Pfad zur Dusche. Sogar den Duschkopf, Wasserhahn und Temperaturregler hatten die Kripoleute mit ihrem Zeug eingestäubt. Der Wasserstrahl verwandelte das Pulver in einen schmierigen Film. Aber ich hatte jetzt wahrlich keine Zeit zum Putzen. Ich musste duschen, mich anziehen und zur Agentur fahren.
Das warme Wasser prasselte auf meinen Körper, doch ich fühlte mich wie abgestorben. Nach dem Duschen nahm ich ein Handtuch vom Boden und trocknete mich ab. Einen Moment lang flammte Wut in mir auf. Ich nahm mir vor, mich über die Kripo wegen der Verwüstung zu beschweren. Im nächsten Moment verließ mich der Mut wieder. Wer war ich denn schon? Die Frau eines Mädchenmörders. Wahrscheinlich hielten mich die Beamten für eine dumme Gans, weil ich so lange nichts vom Doppelleben meines Mannes bemerkt hatte.
Ich schloss die Augen. Die Scham erwischte mich mit voller Wucht. Ja, ich schämte mich. Bisher war ich fassungslos, traurig und wütend gewesen. Nun aber fing ich an, mich zu schämen. Für Tobias. Für mich. Für uns. Und diese Scham war schlimmer als Fassungslosigkeit, Trauer und Wut.
Mir wurde kalt. Bibbernd ging ich zurück ins Schlafzimmer und warf ein paar Tabletten ein, um mich zu beruhigen. Was sollte ich anziehen? Bloß keinen Rock, in Röcken fühlte ich mich immer irgendwie nackt, was meine momentane Dünnhäutigkeit nur verstärken würde. Ich entschied mich für meine Allzweckwaffe, den schwarzen Hosenanzug.
Nachdem ich angezogen und geschminkt war, öffnete ich unsere Wohnungstür einen Spaltbreit und lauschte.
Im Treppenhaus war es still. Ich huschte aus der Wohnung und schlich die Stufen hinunter.
Draußen schien die Sonne. Doch es war kalt, ein eisiger Wind pfiff. Vor der Haustür hielt ich einen Moment inne, wollte gerade aufatmen, weil ich den Nachbarn entwischt war, als jemand meinen Namen rief.
»Frau Rabe?«
Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was geschah.
Hinter der hohen Buchsbaumhecke neben unserem Haus kamen zwei Männer hervor. Ein großer, schlaksiger Typ, bestimmt ein Meter neunzig groß, in speckiger Lederjacke, und ein kleiner Dicker, der an einer Digitalkamera herumfummelte.
»Guten Tag, Frau Rabe«, rief der Schlaks. »Wir würden gerne mit Ihnen über Ihren Mann reden. Wir kommen vom Berliner Express. «
Scheiße! Der Dicke wollte mich doch wohl nicht etwa fotografieren?! Ich hatte meinen Wagen nur ein paar Schritte entfernt, direkt vor dem Haus geparkt. Doch die Männer standen nebeneinander auf dem Gehweg und versperrten mir den Durchgang. Was bildeten sich diese Kerle eigentlich ein? Ich rannte los, stieß mit der Wucht meines Körpers durch die Männer hindurch, schubste sie mit beiden Händen zur Seite. Wut und Panik verliehen mir ungeahnte Kräfte.
Die Männer waren so verdattert, dass sie strauchelten. Der Fotograf wäre fast in die Buchsbaumhecke geflogen. Die Kamera schlackerte an dem Gurt um seinen Hals gefährlich hin und her. Unterdessen rannte ich zum Wagen, schloss die Fahrertür auf und sprang in mein Auto. Geistesgegenwärtig verschloss ich die Tür
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