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Mein Mutiger Engel

Mein Mutiger Engel

Titel: Mein Mutiger Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Allen
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einige Kerzen mitbringen. Er hatte auch versprochen, dass Mr. Standon – nein, Mr. Lydgate – Gelegenheit haben würde, ein Bad zu nehmen und sich zu rasieren. Nicht, dass das viel nützte, wenn er anschließend wieder dieselben widerwärtigen Kleider anlegen musste. Wo konnte sie ihm passende Sachen besorgen? Sowohl Philip als auch Arthur waren deutlich kleiner als er. Natürlich – John!
    John Morgan, ehemals ihr Kutscher, nun ihr Bursche für alles, saß in diesem Augenblick auf dem Kutschbock, eine eindrucksvolle, breitschultrige Gestalt. Gewiss konnte er einen Anzug entbehren, der dem Wegelagerer passte. Sie würde ihn gleich anschließend mit einem Korb voller Kleider, Seife, Rasierzeug – das konnte Philip ihr geben – und Kerzen ins Gefängnis schicken. Wenn sie am Abend zurückkehrte, würde sie Bettwäsche und etwas zu essen mitnehmen. Sollte Jenny sie begleiten? Sie warf einen verstohlenen Blick auf das Dienstmädchen, das schweigend in einer Ecke der Kutsche saß. Nein, lieber John. Jenny war schon entsetzt über das, was sie bis jetzt gesehen hatte. Sie sollte nicht eine ganze Nacht in Newgate verbringen müssen.
    Diese Gedanken halfen Katherine, ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. So wirkte sie völlig ruhig, als sie in der Clifford Street aus der Kutsche stieg und sich von Arthur verabschiedete.
    John beugte sich vom Kutschbock herab. "Soll ich das Gefährt jetzt zurück in den Stall bringen, Miss Katherine?" Sehr zu Philips Ärger nahm er grundsätzlich nur von ihr Anweisungen entgegen.
    "Ja, bitte, John. Ich habe noch einen Auftrag für Sie, aber dafür nehmen Sie am besten eine Droschke, um Zeit zu sparen. Kommen Sie bitte zu mir, wenn Sie im Stall fertig sind. Ich werde Ihnen ein paar Sachen geben, die Sie ins Gefängnis bringen sollen."
    "Was für Sachen?", erkundigte sich Philip in nörgelndem Ton, während sie die Stufen zur Eingangstür hinaufgingen.
    "Seife", erwiderte Katherine. "Jede Menge Seife. Ein paar Handtücher. Und du musst mir etwas von deinem Rasierzeug geben, Phil."
    "Was denn! Für den Sträfling?"
    "Für den Gatten, den du mir beschert hast. Wenn ich schon die Nacht mit ihm verbringen muss, dann lieber ohne seinen Bart und alles, was darin kreucht und fleucht." Mit diesen Worten wandte sie sich von ihrem Bruder ab. "Komm mit auf mein Zimmer, Jenny. Fällt dir noch etwas ein, was Mr. Lydgate benötigt?"
    "Ein Kamm", schlug die Zofe vor. Sobald sie das Schlafzimmer erreicht und die Tür hinter sich geschlossen hatten, trafen sich ihre Blicke, und Jennys Unterlippe begann zu beben. "Oh, Miss Katherine, dass es so weit kommen musste!"
    "Nicht doch, Jenny, sonst muss ich auch weinen, und das kann ich mir nicht leisten." Katherine holte ein paar Handtücher aus ihrer Schublade. "So, das wird reichen. Jetzt noch Seife, einen Kamm …"
    "Miss Katherine, was werden Sie tun, nachdem er … ich meine, wenn Sie …?"
    "Nach seiner Hinrichtung, als Witwe?", fragte Katherine unwirsch. "Ich werde mit dir und John in eine Kleinstadt auf dem Land ziehen und meinen Lebensunterhalt verdienen, indem ich Fremdsprachen unterrichte. Ich spreche ausgezeichnet Französisch und Italienisch, und mit etwas Übung kann ich auch mein Deutsch verbessern."
    "Und Mr. Philip?"
    "Ich fürchte, Mr. Philip wird sich eine Stellung suchen müssen, Jenny. Ich kann nicht länger die Verantwortung für uns alle tragen." Im nächsten Augenblick brach sie in Tränen aus. Hilflos ließ sie sich auf das Bett sinken und schluchzte, als wollte ihr das Herz brechen.
    Jenny, die nun ebenfalls weinte, nahm sie in ihre Arme. "Oh, Miss Katherine, nicht doch, Sie werden sonst krank! Oh, es ist so ungerecht, dass Sie heute Abend zu diesem schrecklichen Mann zurückkehren müssen, so ungerecht …" Jenny hatte es beim Anblick des ungekämmten, finsteren Wegelagerers vor Schreck schier die Sprache verschlagen. Die Vorstellung, dass die zarte, wählerische, keusche Katherine sich ihm hingeben musste, schien ihr grässlich.
    Nach einer Weile versiegten Katherines Tränen, und sie richtete sich auf, um tastend nach einem Taschentuch zu suchen. Auch ihrer Zofe reichte sie eines. "Der Wegelagerer ist nicht das Problem, Jenny", brachte sie hervor. Überrascht stellte sie fest, dass das sogar stimmte. Sie fürchtete sich zwar vor der bevorstehenden Nacht, aber das hätte sie bei jedem anderen Mann auch getan. "Er hat mich freundlich behandelt und kein bisschen roh. Ich glaube, er stammt aus gutem Hause. Irgendwie fühle ich mich

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